Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
schließlich habe ich selbst als Nachrichtenproducerin gearbeitet. Dennoch hätte ich meinen Mann in diesen quälenden Stunden sehr gerne bei mir gehabt, um mir Trost und Zuversicht bei ihm zu holen.
Ich litt mit den Menschen, die bei der Katastrophe ihr Leben verloren hatten oder immer noch als vermisst galten, wie auch mit ihren Angehörigen. Peter und ich haben eine innige Beziehung zu New York und seinen Bewohnern, weil wir dort eine ganz besondere Zeit erlebt haben.
Auch mit dem World Trade Center verbinde ich sehr schöne Erinnerungen: Peter hatte dort einmal an meinem Geburtstag eine Überraschungsfeier organisiert. Es war ein wunderbarer Abend. Zusammen mit unserem Kamerateam holte er mich mit einer Stretchlimousine vor meiner Wohnung an der Upper West Side ab. Während der Fahrt durch den Central Park tranken wir Champagner. Am World Trade Center angekommen, fuhren wir in den 103. Stock ins Restaurant Windows on the World, wo wir ein feudales Abendessen bei spektakulärer Aussicht genossen. New York war für mich ein Ort der magischen Momente, und ich konnte nicht fassen, dass das World Trade Center, dieses amerikanische Wahrzeichen, in Schutt und Asche lag.
Wir Amerikaner in Deutschland waren sehr gerührt von der großen Anteilnahme der Deutschen und der »uneingeschränkten Solidarität«, die Bundeskanzler Schröder dem amerikanischen Volk bereits am Tag nach der Katastrophe zusicherte.
Zwei Monate nach dem Terroranschlag begleitete ich Peter zum Berliner Presseball, wo ich meine einzige Begegnung mit dem ehemaligen Bundeskanzler Schröder hatte. Ich fasste mir ein Herz, ging zu seinem Tisch hinüber und dankte ihm in meinem besten Deutsch für seine Unterstützung, die unserem Volk sehr viel bedeutete. Der Kanzler war sehr freundlich. Er bedankte sich bei mir und erwiderte, dass er und vor allem seine Frau Doris einen besonderen Bezug zu New York haben.
Obwohl ich in unserem deutschen Freundeskreis auch persönlich große Anteilnahme erfuhr, blieb eine gewisse Unruhe bei mir zurück. Ich sorgte mich als in Europa lebende Amerikanerin ebenso um die Sicherheit meiner amerikanischen wie auch meiner deutschen Familie. Das US-Außenministerium veröffentlichte Sicherheitswarnungen und riet seinen Bürgern im Ausland zur Vorsicht. Es bestünde für sie die Gefahr, zur Zielscheibe von politischen Attentätern zu werden, die es auf Amerikaner abgesehen hatten. Sogar vor Entführungen wurde gewarnt, und es war die Rede von soft targets , also weichen Zielen. Aufgrund dessen fragte ich mich, ob man sich in Kirchen und Schulen noch sicher fühlen konnte. Die Tatsache, dass einige der Attentäter vom 11. September zuvor als Studenten in Hamburg gelebt und sich dort schon auf die Anschläge vorbereitet hatten, verstärkte meine Nervosität.
Trotzdem versuchte ich, weitestgehend Ruhe zu bewahren. Ich hielt es für das Beste, meinen amerikanischen Pass zu Hause zu lassen und unterwegs stets auf meine Umgebung zu achten. Die Angst, dass wieder etwas passieren könnte, ließ mich nicht los.
Ich war sehr froh, dass die amerikanische Regierung zunächst besonnen auf den terroristischen Anschlag im eigenen Land reagierte. Es war unnötig, die Situation eskalieren zu lassen. Doch dann wurde von Präsident George W. Bush der »Krieg gegen den Terrorismus« ausgerufen, und im Oktober 2001 begann in Afghanistan die Operation Enduring Freedom, bei der die USA von Deutschland und vielen anderen wichtigen Verbündeten unterstützt wurden. Zu diesem Zeitpunkt lagen Amerika und Deutschland in ihrem Denken und Handeln noch auf einer Linie.
Im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz rückte sogar unsere Heimatstadt Bonn für kurze Zeit in den Mit-telpunkt des Geschehens. Ende November bis Anfang Dezember 2001 fand die erste Afghanistan-Konferenz im Grand Hotel auf dem Petersberg bei Bonn statt. Von unserem Haus aus können wir den Petersberg sehen, und wir beobachte-ten an den Abenden während der Konferenz die grellen Scheinwerferlichter am Himmel. Ich spürte Zuversicht und Optimismus beim Anblick dieser Lichter. Solange das Licht brennt, sagten wir uns, gibt es Hoffnung auf eine fried-liche Lösung.
In diesen Tagen wurde mir auch wieder mal bewusst, wie klein Deutschland doch aus Sicht der restlichen Welt seinmuss. Vor allem aus Sicht der USA. Denn in einer amerikanischen Zeitung las ich einen Bericht über die Afganistan-Gespräche. Kurzerhand hatte der Verfasser des Artikels den Petersberg in den Schwarzwald
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