Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
denn es handelt sich um eine Liebesgeschichte. Hier die Kurzversion: Wie Sie vielleicht wissen, ist mein Mann Peter ein deutscher TV-Journalist. Wir lernten uns 1990 in Washington D. C. beim amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffen kennen, wo ich für eine Fernseh-Produktionsgesellschaft als Producerin arbeitete. Einige Zeit später bot mir Peter einen Job als Producerin für seinen Haussender RTL an, da dieser ein Auslandsbüro in New York eröffnet hatte. Wir verliebten uns zwar erst später, aber von Anfang an funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Peter und mir außerordentlich gut. So gut, dass wir, als Peter schließlich nach Deutschland zurückkehrte, um eine neue Stelle als Nachrichtenmoderator anzutreten, sehr schnell merkten: Wir wollten und konnten nicht ohneeinander leben. Peter flog zurück in seine Heimat, und ich folgte ihm ein halbes Jahr später. Ich war neunundzwanzig, bis über beide Ohren verliebt und verschwendete keinen Gedanken daran, wie mein Leben in Deutschland aussehen würde.
Inzwischen bin ich Mitte vierzig und habe etwa ein Drittel meines Lebens in Deutschland verbracht. In gewisser Weise bin ich hier erwachsen geworden, ein Erwachsenwerden durch Ehe und Mutterschaft. Ich bin in Deutschland heimisch geworden und habe die schönen Seiten des Landes schätzen gelernt. Der gemäßigte Lebensstil und das langsamere Tempo mögen zwar zunächst banal erscheinen, aber sie machen das Leben um einiges leichter als in Amerika. Sonn- und Feiertage zwingen einen dazu, eine Pause einzulegen. Anders als in den USA wird materieller Wohlstand nicht so unverhohlen zur Schau gestellt, dass er Neid und Gier schürt, immer mehr haben zu wollen. Außerdem liebe ich die kleinen, gemütlichen Hotels und Restaurants mit ihrer urigen Einrichtung, die ganz anders als die amerikanischen Hotelketten sind, wo man schon vor dem Einchecken weiß, welche Farbe der Duschvorhang hat.
Das heutige Deutschland ist ein Land mit glänzenden Zukunftsaussichten. Die positive Resonanz, die Angela Merkel als erste Bundeskanzlerin erhält, freut mich sehr. Ich habe sie als intelligente, bescheidene und pragmatische Frau kennengelernt. Ihre Ehrlichkeit, ihre Integrität und ihr guter Wille haben das Ansehen Deutschlands in der Welt gesteigert und hoffentlich dem letzten Zweifler die Augen für dieses Land geöffnet. Aber die Kanzlerin ist nicht die einzige Deutsche, die derzeit einen positiven Beitrag zur Geschichte leistet: Sie befindet sich in guter Gesellschaft mit Benedikt XVI., dem ersten deutschen Papst der Moderne.
Obwohl ich nun schon seit fünfzehn Jahren hier lebe, werde ich immer wieder gefragt: »Und, wie gefällt es dir in Deutschland?« In den ersten Jahren bin ich dieser Frage immer ausgewichen. Wie soll man sie auch beantworten? Wenn man weder die fremde Sprache beherrscht noch mit den kulturellen und sonstigen Besonderheiten eines Landes vertraut ist, kommt man sich manches Mal wie ein Kleinkind vor. Man verwandelt sich von einem selbstständigen, unabhängigen Erwachsenen in einen zappelnden Fisch auf dem Trockenen, der keine Schilder lesen kann, keine vertrauten Lebensmittel im Supermarkt findet, die Radiosprecher nicht versteht und nicht einmal die Rechnungen lesen kann, die ins Haus flattern. Man wird auf die grundlegenden Dinge reduziert und muss von neuem lernen zu leben, und zwar unter völlig ungewohnten Bedingungen. Selbst für abenteuerlustige Menschen kann diese Eingewöhnungsphase bisweilen so schmerzhaft sein wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt.
In all den Jahren hier konnte ich beobachten, dass Zuwanderer unterschiedliche Herangehensweisen an das Leben in Deutschland haben. Manche finden alles schlechter als in ihrer alten Heimat und würden am liebsten sofort dorthin zurückkehren: »Ich habe noch anderthalb Jahre! Ich weiß gar nicht, wie ich das aushalten soll!« – »Was, nur anderthalb Jahre? Ich muss noch ganze zwei Jahre aushalten, und meinen Urlaub muss ich auch hier verbringen. Dabei würde ich viel lieber nach Hause fliegen.« Dann gibt es die, die alles an ihrem Gastland schlechtmachen: »Warum werden Getränke hier nicht automatisch mit Eiswürfeln serviert?« Andere schütteln über vieles nur den Kopf: »Wie können die hier Zeitungen mit barbusigen Frauen auf dem Titelblatt verkaufen?« Oder: »Wie können Männer und Frauen gemeinsam in der Sauna sitzen?« Und wieder andere klappern sämtliche Sehenswürdigkeiten ab. Sie besuchen in zehn Monaten mehr Schlösser und
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