Defekt
die Täter einige ihrer Opfer einfach in die Gruben
geworfen und die Sachen hinterhergeschmissen.“
„Also hat er noch mehr Frauen umgebracht, als er
zugegeben hat“, stellt Benton nüchtern fest, während Reba die Papiertüte
öffnet. „Manche Leichen hat er so arrangiert, dass sie gefunden werden, und die
anderen vergraben.“
Reba hält die Tüte auf, sodass Scarpetta und Benton
den Schnorchel und den schmutzigen rosafarbenen Keds-Turnschuh in Kindergröße
darin sehen können.
„Der passt zu dem Schuh, der oben auf der Matratze
liegt“, verkündet sie. „Wir haben ihn in einem Loch gefunden, in dem wir
weitere Leichen vermutet haben. Aber nichts. Nur das hier.“ Sie weist auf den
Schnorchel und den rosafarbenen Schuh. „Lucy ist darauf gestoßen. Ich habe
keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.“
„Ich fürchte, ich schon“, erwidert Scarpetta, nimmt
mit behandschuhten Händen den Schnorchel und den kleinen Mädchenschuh aus der
Tüte und stellt sich vor, wie die zwölfjährige Helen in dem Loch liegt und Erde
auf sie geschaufelt wird. Der Schnorchel war ihre einzige Möglichkeit, Luft zu
holen, während ihr Onkel sie folterte.
„Das bedeutet, dass hier ein Kind in einen Koffer
gesperrt, im Keller angekettet und bei lebendigem Leibe begraben wurde. Nur
über den Schnorchel bekam sie Luft“, erklärt Scarpetta, als Reba sie fragend
ansieht.
„Kein Wunder, dass sie sich in verschiedene Leute
aufgespalten hat“, sagt Benton, jetzt sichtlich erschüttert. „Verdammter
Scheißkerl.“
Um Fassung ringend, wendet Reba sich ab, schluckt
und starrt ins Leere. Dann faltet sie die braune Papiertüte langsam und ordentlich
wieder zu.
„Tja“, sagt sie dann und räuspert sich. „Wir haben
kalte Getränke hier. Angefasst haben wir nichts. Wir haben auch nicht die
Müllsäcke in der Grube geöffnet, in der der Snoopy lag, aber sie verströmen
einen starken Verwesungsgeruch. Einer der Säcke hat einen Riss, und man kann
verfilzte rote Haare erkennen, die aussehen wie mit Henna gefärbt. Außerdem
einen Arm und einen Ärmel. Ich glaube, diese Leiche ist bekleidet. Die anderen
eindeutig nicht. Tja, es gibt Cola light, Gatorade und Wasser. Falls Sie was
anderes möchten, können wir ja jemanden losschicken. Oder vielleicht besser
doch nicht.“
Sie blickt in Richtung der Gruben hinter dem Haus.
Dabei blinzelt und schluckt sie immer wieder, und ihre Unterlippe bebt.
„Wahrscheinlich ist es besser, wenn wir mit diesem
Geruch nicht in einen 7-Eleven hineinspazieren. Ich begreife nur nicht ... wenn
er das wirklich getan hat, sollten wir ihn uns schnappen und dasselbe mit ihm
machen wie er mit diesem Mädchen. Diesen Kerl sollte man auch lebendig
begraben, aber ohne Schnorchel zum Atmen! Oder ihm gleich seine Scheiß-Eier abschneiden
!“
„Ziehen wir uns um“, sagt Scarpetta leise zu Benton.
Sie entfalten die weißen Einweg-Overalls und schlüpfen hinein.
„Aber wir können es ihm nicht beweisen“, spricht
Reba weiter. „Das wird nicht klappen.“
„Seien Sie da nicht so sicher“, entgegnet Scarpetta,
während sie Benton die Überschuhe reicht. „Er hat ziemlich viele Spuren
hinterlassen, da er nie damit gerechnet hat, dass wir hier nachsehen würden.“
Nachdem sie ihre Haare mit Kappen bedeckt haben,
gehen sie die verzogenen alten Stufen hinunter, streifen Handschuhe über und
setzen Gesichtsmasken auf.
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