Delia im Wilden Westen
Herde nach Missouri.“
„Da komme ich mit“, erklärte Delia. „Ich bin gerade auf dem Weg nach Westen. Ich will dort irgendwo meinen Vater treffen.“
Jesse ritt näher heran. „Also, abgemacht“, sagte er und streckte Delia die Hand hin. „Du reitest mit uns. Deinen Lohn kriegst du, sobald wir das Schlachtvieh verkauft haben.“
Delia war gern einverstanden. Es war schon sehr angenehm, nicht mehr mutterseelenallein dahinzureiten. So trabte sie denn an Jesses Seite der Büffelherde nach, und der Professor zeigte, dass auch er mit dieser Lösung einverstanden war, denn er lief ganz munter voraus.
Eine gute halbe Stunde später erreichten sie die Herde, die jetzt friedlich graste, von einigen Cowboys bewacht, die sie umritten. Andere hatten schon ein Feuer für die Nacht gemacht, an dem eine riesige Keule briet. Bei deren Duft lief Delia das Wasser im Mund zusammen.
Die Cowboys waren raubeinige Männer verschiedenen Alters und verschiedener Herkunft. Sie nahmen wortlos zur Kenntnis, was ihr Boss ihnen erklärte: dass der kleine Cowboy sie begleiten würde. Sie fragten Delia nicht aus, weil sie selber nicht gefragt werden wollten.
Delia fügte sich rasch in diese Gesellschaft ein. Zwar waren die Streiche, die die Cowboys einander spielten, oft recht grob, aber zum Glück blieb sie davon verschont. Niemand wagte es, an ihr sein Mütchen zu kühlen, weil der große Jesse seine schützende Hand über sie hielt. Er vergaß es ihr nie, dass sie ihm seine Herde gerettet hatte, und manchmal, abends am Lagerfeuer, gab er diese Geschichte zum besten. Dann staunten die Cowboys und betrachteten Delia und ihren Mops immer wieder wie ein Wundertier.
Vier Wochen ritt Delia mit den Cowboys nach Westen. Sie kamen nur langsam voran, weil sie sich nach dem Tempo der Herde richten mussten und nicht den kürzesten Weg einschlagen durften. Wichtig war es, dass sie jeden Tag einmal einen Wasserlauf erreichten, an dem die Tiere sich satt trinken konnten. Immer wieder umkreiste Delia mit den anderen Cowboys wachsam die Herde, und der Mops zeigte sich wieder einmal sehr nützlich, denn wenn ein Büffel oder eine Büffelkuh mit ihren Jungen allzu weit zurückblieben, dann schnappte er nach ihren Beinen und brachte sie auf Trab.
In den Nächten am Lagerfeuer war es sehr romantisch. Die Cowboys sangen, allerdings mehr laut als schön, und sie wussten auch meist weniger als die Hälfte des Textes. Aber Delia hielt den rauen Gesang mit ihrem Mundharmonikaspiel doch einigermaßen zusammen, und dass sie diese Harmonika besaß und spielen konnte, das schätzten die Männer mehr an ihr als die Heldentat, die Jesse von Zeit zu Zeit erwähnte.
Manchmal erzählten sie sich auch Geschichten, und Delia konnte nicht der Versuchung widerstehen, von ihren Abenteuern bei den Indianern zu berichten. Allerdings tat sie so, als ob nicht ihr selber, sondern einem kleinen Mädchen, das sie mal gekannt hatte, all diese aufregenden Abenteuer passiert wären.
Die Cowboys lauschten aufmerksam, denn sie waren für jede Abwechslung dankbar.
Dann und wann riefen sie aber dazwischen: „Jetzt machst du’s aber zu toll, kleiner Cowboy! Das kann dir niemand mehr glauben!“
Tatsächlich glaubten sie ihr kein Wort, sondern hielten ihren Bericht für eine fantastische Geschichte. Sie gefiel ihnen trotzdem so gut, dass Delia, nachdem sie einmal damit angefangen hatte, sie immer weitererzählen musste. Wenn ihr das Garn ausging, dann erfand sie etwas dazu, denn es kam ja nur auf die Geschichte, nicht auf die Wahrheit an. Jetzt, da sie wieder unter Weißen lebte, wenn es auch nicht gerade zivilisierte Europäer waren, erschien ihr selber alles, was sie bei den Indianern erlebt hatte, ganz unwahrscheinlich.
Dann endlich, eines Mittags, tauchte das Städtchen vor ihnen auf, das Jesses Ziel war: Sacramento in Missouri. Es war keine Stadt, wie Delia sie aus Deutschland kannte, es gab keine Kirche, keine Fachwerkhäuser, keine Läden und schon gar kein Schloss. Dennoch war Sacramento ein wichtiger Handelsplatz.
Es lag am Rande der Prärie, über Sacramento hinaus konnte keine Büffelherde weitergetrieben werden. Jesse wollte einen Teil seines Bestandes auf dem Markt verkaufen, die Herde dann zurück in den Osten treiben, wo sie sich unterwegs wieder vermehren würde.
Auch die Jäger pflegten ihre Beute, Fleisch und besonders die wertvollen Felle, in Sacramento anzubieten. So kam ein lebhafter Handel in dem kleinen Städtchen zustande. Aus dem Gebirge stiegen die
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