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Delia und der Sohn des Häuptlings

Delia und der Sohn des Häuptlings

Titel: Delia und der Sohn des Häuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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gut. Auf diese Weise gleichen sie ihre Verluste aus und begraben das Kriegsbeil wirklich und endgültig. Man kann ja niemanden hassen, wenn er zum eigenen Volk, zur eigenen Familie gehört.“
    „Langsam fange ich an zu begreifen“, sagte Linda.
    „Hoffentlich! Dein Vater denkt immer nur, ich wäre eine Gefangene der Iowanokas gewesen, aber das stimmt nicht. Sie haben mich in ihren Stamm und in die Familie des Häuptlings aufgenommen. Das ist nicht nur so… so ein Theater gewesen, nein, ich habe wirklich und wahrhaftig zu ihnen gehört.“
    „Hm“, sagte Linda, „komisch.“
    „Deshalb geht es nicht nur um Akitu, verstehst du? Wenn ich eine Gefangene gewesen wäre, hätte ich ausreißen können; wenn ich unter anderen Umständen zu euch gekommen wäre, würde ich jetzt glücklich sein. Aber so … ich kann nicht hierbleiben, Linda, nicht nach New York und auch nicht zu Onkel Johannes … Ich muss zu den Iowanokas zurück.“
    Linda schwieg.
    „Verstehst du endlich?“ drängte Delia.
    „Hört sich ziemlich verrückt an.“
    „Nein! Der Häuptling der Iowanokas hat mir vertraut, genauso wie meine Indianerschwester Inona, wie Akitu … ja, sogar Grausame Schlange und Roter Geier betrachten mich als eine der Ihren! Ach was, ich habe es ja viel besser gehabt als die anderen Indianermädchen. Ich habe reiten und jagen und fischen und klettern dürfen. Die Iowanokas haben mir so viel beigebracht, so vieles nachgesehen … Und jetzt soll ich einfach die erste beste Gelegenheit beim Schopf packen und sie im Stich lassen? Sie haben mir vertraut, Linda, versteh doch — sie vertrauen mir jetzt noch!“ Delia hatte sich ordentlich in Eifer geredet.
    „Ich weiß nicht, ob ich dich ganz verstehe“, sagte Linda zögernd.
    Delia stöhnte. „Ich wusste es ja, du würdest es nicht begreifen. Wozu habe ich dir das bloß alles erzählt?“
    „Ich begreife es wirklich nicht ganz“, sagte Linda. „Ich begreife nicht, dass dir die Indianer so viel bedeuten … und dass du dir einreden kannst, du hättest irgendetwas mit ihnen zu tun, aber“ — sie hielt Delia fest, um zu verhindern, dass sie weglief — „aber darauf kommt es doch gar nicht an. Wichtig ist ja nur, wie du die Dinge siehst. Und dass du erst mit den Iowanokas ins Reine kommen willst …“
    „Das muss ich! Ich bin doch keine Verräterin!“
    „Ich weiß“, sagte Linda ruhig, „und deshalb werde ich dir helfen!”
    Delia traute ihren Ohren nicht. „Was willst du?“
    „Dir helfen. Ich will nicht, dass du unglücklich wirst. Vielleicht ist das falsch, vielleicht wäre es besser, ich würde meinem Vater alles erzählen …“
    „Nur nicht! Der würde Akitu und mich höchstens in Ketten legen lassen!“
    Linda lachte. „Ach wo! Pop würde es gar nicht für möglich halten, dass man ihm entwischen könnte. Aber ich bin sicher, es geht doch … Wir müssen nur mal nachdenken!“
    Und das taten sie. Sie verkrochen sich wieder in ihre Betten, redeten und redeten, und als der Morgen graute, hatten sie einen Fluchtplan entworfen.
    Delia war gar nicht sicher, ob es klappen würde. Dennoch war es wunderbar, zu wissen, dass sie eine Freundin hatte, die ihr zur Seite stand, wunderbar, überhaupt etwas tun zu können, nicht länger wie eine Gefangene hin und her gestoßen zu werden.
    Eigentlich wollte Delia sich noch einmal alle Einzelheiten durch den Kopf gehen lassen. Aber die Augen fielen ihr zu, und sie schlief tief und fest bis in den hellen Tag hinein.

Der Kommandant hatte vor, die jungen Indianer, die sich als Frauen verkleidet in das Fort hineinschmuggeln wollten, einzeln und in kleinen Gruppen, wie sie gerade eintrafen, in die Wachstube zu führen und zu entwaffnen. Von der Wachstube aus führte eine Tür geradewegs in das Gefängnis, wo die Gefangenen vorläufig untergebracht werden sollten.
    Das war der Plan, den Delia sehr gut kannte, weil er in ihrer Anwesenheit entworfen worden war. Sie wusste aber auch, was das für Akitu bedeutete: Er würde die kleine Zelle mit einer Schar misstrauischer Irokesen teilen müssen.
    Das würde alles andere als angenehm für ihn sein. Wenn es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen dennoch zu einem offenen Angriff der Irokesen kam, würde es noch schlimmer werden, weil die anderen Gefangenen dann bestimmt versuchten, mit Gewalt auszubrechen.
    Überstand Akitu aber den Überfall, war die Situation immer noch denkbar schlecht. Wie sollte Delia ihn befreien, ohne die anderen Indianer hinauszulassen? Das war unmöglich. Wenn

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