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Delia und der Sohn des Häuptlings

Delia und der Sohn des Häuptlings

Titel: Delia und der Sohn des Häuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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hinüber. Delias Herz klopfte bis zum Hals, als sie auf die Freundin wartete. Sie drückte ihren Mops ganz fest gegen die Brust. Unendlich lange schien es zu dauern. Dabei waren es nur einige Minuten, bis Linda wieder erschien — strahlend, das Schlüsselbund in der Hand. Der erste Teil des Fluchtplans war gelungen!
    Delia schlüpfte rasch in ihre Indianersachen, die sie, zu einem Bündel zusammengerollt, tagsüber unter dem Bett versteckt hatte.
    Die beiden Freundinnen umarmten sich noch ein letztes Mal, dann schwang Delia sich auf das Fensterbrett. Sie machte ihrem Namen „Tapferes Eichhörnchen“ alle Ehre, als sie sich lautlos und geschmeidig von der Dachrinne aus am Wasserrohr in den Hof hinabgleiten ließ.
    Unten stand eine Tonne, die das Regenwasser auffangen sollte. Sie war halb gefüllt. Delia musste aus halber Höhe einen Sprung tun und — dabei verlor sie das Schlüsselbund.
    Sie kauerte sich ganz still in den Schatten hinter der Regentonne, aber nichts rührte sich, niemand hatte ihren Aufsprung gehört. Dann begann sie den Boden vorsichtig, Zentimeter für Zentimeter, mit den Händen abzutasten, und endlich hatte sie das verlorene Schlüsselbund wiedergefunden.
    Sie atmete auf. Die erste Panne auf der Flucht war glücklich überwunden. Aber dann — o Schreck! — fiel ihr ein, dass Linda ihr das Schlüsselbund so in die Hand gedrückt hatte, dass die beiden Schlüssel, auf die es ankam, von den anderen abgesondert waren. Jetzt hingen alle beieinander. Aber das ließ sich nun nicht ändern.
    Delia richtete sich auf, gab Linda das verabredete Zeichen. Linda lehnte sich so tief wie möglich aus dem Fenster, ließ den Mops herunterfallen. Er landete sicher in Delias Armen.
    Auf leisen Sohlen — wie gut, dass sie wieder ihre Mokassins anhatte! — schlich sich Delia über den Hof. Der Mond war voll und groß, aber zum Glück trieben Wolken über den Himmel, die ihn ab und zu verdeckten und das Fort in Dunkelheit hüllten. Delia hielt sich immer im Schatten, der Professor blieb dicht bei Fuß, und ungesehen und ungehört gelangten beide bis zum Gefängnis.
    Zum Glück war die Tür unbewacht. Delia steckte einen Schlüssel nach dem anderen in das Schloss. Beim fünften Mal hatte sie endlich den richtigen erwischt.
    Die Tür knarrte und quietschte ganz fürchterlich. Im ersten Schreck glaubte Delia, dass alle im Fort auf diesen Lärm aufmerksam werden müssten. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Sie hatte die Tür erst einen Spaltbreit geöffnet, doch das genügte Akitu schon, um herauszuschlüpfen. Der Professor umsprang ihn toll vor Freude, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Delia legte den Finger vor den Mund, zeigte in Richtung der Pferde. Akitus Gesicht blieb ganz unbewegt, dennoch war sie sicher, dass er sie verstanden hatte.
    Hintereinander schlichen sie sich zu den Pferden, lösten die Zügel aus den Ringen und führten die Tiere, immer im Schatten bleibend, auf das große Tor zu.
    Zu ihrem Schrecken musste Delia feststellen, dass der Eingang zum Fort mehr als gut bewacht war. Zwei Soldaten standen oben auf dem Wehrgang und blickten auf die Prärie hinaus, zwei andere — und die waren noch gefährlicher — standen unten, mit dem Rücken zum Tor, das Gewehr über der Schulter.
    Akitu machte eine blitzschnelle Bewegung, als wenn er einen Überraschungsangriff plante. Aber Delia hielt ihn zurück. Ihr fiel es schwer genug, zu warten, obwohl sie wusste, worauf. Akitu, das begriff sie, musste es eine noch größere Überwindung kosten; er hatte ja keine Ahnung, was geplant war. Sie hätte es ihm gern gesagt, aber sie wagte nicht, zu sprechen, hielt ihn nur fest bei der Hand. Den Mops nahm sie vorsichtshalber auf den Arm.
    Die Zeit wollte und wollte nicht vergehen. Delia und Akitu standen ganz starr, wie festgenagelt. Sie wagten kaum zu atmen, aus Angst vor einer Entdeckung. Es schien Ewigkeiten zu dauern, in denen nichts geschah.
    Delias Herz krampfte sich zusammen. Sollte Lindas Angst im letzten Augenblick zu groß geworden sein? Sollte irgendetwas sie aufgehalten haben? Oder hatte sie ihr Versprechen vielleicht gar nicht ernst gemeint?
    Gerade begann Delia zu überlegen, wie sie auch ohne Lindas Hilfe das Fort verlassen könnten — da erschien eine weiße Gestalt in einer Dachluke und begann, die Hände weit von sich gestreckt, über die Dächer der Blockhäuser zu wandeln. Langes, blondes Haar fiel ihr auf die Schultern, schimmerte im Mondlicht.
    Die weiße Gestalt wandelte weiter und weiter.

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