Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
schlimmer vor, als der Strauß.«
»Warum?«
»Weil du diese Schurken laufen lässest.«
»Ich kann sie nicht halten und auch nicht töten.«
»Warum nicht? Hätten sie einen Rechtgläubigen ermordet, so kannst du dich darauf verlassen, daß ich sie zum Scheïtan, zum Teufel, geschickt hätte. Da es aber ein Giaur war, so ist es mir sehr gleichgültig, ob sie Strafe finden oder nicht. Du aber bist ein Christ und lässest die Mörder eines Christen entkommen!«
»Wer sagt dir, daß sie entkommen werden?«
»Sie sind ja bereits fort! Sie werden den Bir Sauidi erreichen und von da nach Debila und El Uëd gehen, um in der Aregzu verschwinden.«
Region der Dünen.
»Das werden sie nicht.«
»Was sonst? Sie sagten ja, daß sie nach Bir Sauidi gehen werden.«
»Sie logen. Sie werden nach Seddada gehen.«
»Wer sagte es dir?«
»Meine Augen.«
»Allah segne deine Augen, mit denen du die Tapfen im Sande betrachtest. So wie du kann nur ein Ungläubiger handeln. Aber ich werde dich schon noch zum rechten Glauben bekehren; darauf kannst du dich verlassen, du magst nun wollen oder nicht!«
»Dann nenne ich mich einen Pilger, ohne in Mekka gewesen zu sein.«
»Sihdi – –! Du hast mir ja versprochen, das nicht zu sagen!«
»Ja, so lange du mich nicht bekehren willst.«
»Du bist der Herr, und ich muß es mir gefallen lassen. Aber, was thun wir jetzt?«
»Wir sorgen zunächst für unsere Sicherheit. Hier können wir leicht von einer Kugel getroffen werden. Wir müssen uns überzeugen, ob diese beiden Schurken auch wirklich fort sind.«
Ich erstieg den Rand der Schlucht und sah allerdings die zwei Reiter in bereits sehr großer Entfernung von uns auf Südwest zuhalten. Halef war mir gefolgt.
»Dort reiten sie,« meinte er. »Das ist die Richtung nach Bir Sauidi.«
»Wenn sie sich weit genug entfernt haben, werden sie sich nach Osten wenden.«
»Sihdi, dein Gehirn dünkt mir schwach. Wenn sie dies thäten, müßten sie uns ja wieder in die Hände kommen!«
»Sie meinen, daß wir erst morgen aufbrechen, und glauben also, einen guten Vorsprung vor uns zu erlangen.«
»Du rätst und wirst doch das Richtige nicht treffen.«
»Meinst du? Sagte ich dir nicht da oben, daß eines ihrer Pferde den Hahnentritt habe?«
»Ja, das sah ich, als sie davonritten.«
»So werde ich auch jetzt recht haben, wenn ich sage, daß sie nach Seddada gehen.«
»Warum folgen wir ihnen nicht sofort?«
»Wir kämen ihnen sonst zuvor, da wir den geraden Weg haben; dann würden sie auf unsere Spur stoßen und sich hüten, mit uns wieder zusammenzutreffen.«
»Laß uns also wieder zum Wasser gehen und ruhen, bis es Zeit zum Aufbruch ist.«
Wir stiegen wieder hinab. Ich streckte mich auf meine am Boden ausgebreitete Decke aus, zog das Ende meines Turbans als Lischamüber das Gesicht und schloß die Augen, nicht um zu schlafen, sondern um über unser letztes Abenteuer nachzudenken. Aber wer vermag es, in der fürchterlichen Glut der Sahara seine Gedanken längere Zeit mit einer an sich schon unklaren Sache zu beschäftigen? Ich schlummerte wirklich ein und mochte über zwei Stunden geschlafen haben, als ich wieder erwachte. Wir brachen auf.
Gesichtsschleier.
Das Wadi Tarfaui mündet in den Schott Rharsa; wir mußten es also nun verlassen, wenn wir, nach Osten zu, Seddada erreichen wollten. Nach Verlauf von vielleicht einer Stunde trafen wir auf die Spur zweier Pferde, welche von West nach Ost führte.
»Nun, Halef, kennst du diese Ethar, diese Fährte?«
»Masch Allah, du hattest recht, Sihdi! Sie gehen nach Seddada.«
Ich stieg ab und untersuchte die Eindrücke.
»Sie sind erst vor einer halben Stunde hier vorübergekommen. Laß uns langsamer reiten, sonst sehen sie uns hinter sich.«
Die Ausläufer des Dschebel Tarfaui senkten sich allmählich in die Ebene hernieder, und als die Sonne unterging und nach kurzer Zeit der Mond emporstieg, sahen wir Seddada zu unsern Füßen liegen.
»Reiten wir hinab?« fragte Halef.
»Nein. Wir schlafen unter den Oliven dort am Abhange des Berges.«
Wir bogen ein wenig von unserer Richtung ab und fanden unter den Ölbäumen einen prächtigen Platz zum Bivouac. Wir waren beide an das heulende Bellen des Schakal, an das Gekläffe des Fennek und an die tieferen Töne der schleichenden Hyäne gewöhnt und ließen uns von diesen nächtlichen Lauten nicht im Schlafe stören. Als wir erwachten, war es mein erstes, die gestrige Fährte wieder aufzusuchen. Ich war überzeugt, daß sie mir hier in
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