Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
ganz allein, dem ich dich anvertrauen möchte, Sihdi. Reiten wir direkt nach Kris?«
»Wie weit haben wir noch bis hin?«
»Ein kleines über eine Stunde.«
»So biegen wir jetzt ab gegen West. Wir müssen sehen, ob wir eine Spur der Mörder finden.«
»Du meinst wirklich, daß sie auch nach Kris gegangen sind?«
»Auch sie haben jedenfalls im Freien ihr Lager gehalten und werden bereits vor uns sein, um über den Schott zu gehen.«
Wir verließen den bisherigen Weg und hielten grad nach West. In der Nähe des Pfades fanden wir viele Spuren, welche wir zu durchschneiden hatten; dann aber wurden sie weniger zahlreich und hörten endlich ganz auf. Da schließlich, wo der Reitpfad nach El Hamma führt, erblickte ich die Fährte zweier Pferde im Sande, und nachdem ich sie gehörig geprüft hatte, gelangte ich zu der Überzeugung, daß es die gesuchte sei. Wir folgten ihr bis in die Nähe von Kris, wo sie sich im breiten Wege verlor. Ich hatte also die Gewißheit, daß sich die Mörder hier befanden.
Halef war nachdenklich geworden.
»Sihdi, soll ich dir etwas sagen?« meinte er.
»Sage es!«
»Es ist doch gut, wenn man im Sande lesen kann.«
»Es freut mich, daß du zur Erkenntnis kommst. Doch, da ist Kris. Wo ist die Wohnung deines Freundes Sadek?«
»Folge mir!«
Er ritt um den Ort, der aus einigen unter Palmen liegenden Zelten und Hütten bestand, herum bis zu einer Gruppe von Mandelbäumen, in deren Schutze eine breite, niedere Hütte lag, aus der bei unserem Anblick ein Araber trat und meinem kleinen Halef freudig entgegeneilte.
»Sadek, mein Bruder, du Liebling der Kalifen!«
»Halef, mein Freund, du Gesegneter des Propheten!«
Sie lagen einander in den Armen und herzten sich wie ein Liebespaar.
Dann aber wandte sich der Araber zu mir:
»Verzeihe, daß ich dich vergaß! Tretet ein in mein Haus; es ist das eurige!«
Wir folgten seinem Wunsche. Er war allein und präsentierte uns allerhand Erfrischungen, denen wir fleißig zusprachen. Jetzt glaubte Halef die Zeit gekommen, mich seinem Freunde vorzustellen.
»Das ist Kara Ben Nemsi, ein großer Taleb aus dem Abendlande, der mit den Vögeln redet und im Sande lesen kann. Wir haben schon viele große Thaten vollbracht; ich bin sein Freund und Diener und soll ihn zum wahren Glauben bekehren.«
Der brave Mensch hatte mich einmal nach meinem Namen gefragt und wirklich das Wort Karl im Gedächtnisse behalten. Da er es aber nicht auszusprechen vermochte, so machte er rasch entschlossen ein Kara daraus und setzte Ben Nemsi, Nachkomme der Deutschen, hinzu. Wo ich mit den Vögeln geredet hatte, konnte ich mich leider nicht entsinnen; jedenfalls sollte mich diese Behauptung ebenbürtig an die Seite des weisen Salomo stellen, der ja auch die Gabe gehabt haben soll, mit den Tieren zu sprechen. Auch von den großen Thaten, die wir vollbracht haben sollten, wußte ich weiter nichts, als daß ich einmal im Gestrüppe hängen geblieben und dabei gemächlich von meinem kleinen Berbergaule gerutscht war, der diese Gelegenheit dann benutzte, einmal mit mir Haschens zu spielen. Der Glanzpunkt der Halef’schen Diplomatik war nun allerdings die Behauptung, daß ich mich von ihm bekehren lassen wolle. Er verdiente dafür eine Zurechtweisung; daher fragte ich Sadek:
»Kennst du den ganzen Namen deines Freundes Halef?«
»Ja.«
»Wie lautet er?«
»Er lautet Hadschi Halef Omar.«
»Das ist nicht genug. Er lautet Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah. Du hörst also, daß er zu einer frommen, verdienstvollen Familie gehört, deren Glieder alle Hadschi waren, obgleich – – –«
»Sihdi,« unterbrach mich Halef mit einer ganz unbeschreiblichen Pantomime des Schreckens, »sprich nicht von den Verdiensten deines Dieners! Du weißt, daß ich dir stets gern gehorchen werde.«
»Ich hoffe es, Halef. Du sollst nicht von dir und mir sprechen; frage lieber deinen Freund Sadek, wo sich sein Sohn befindet, von dem du mir gesagt hast!«
»Hat er wirklich von ihm gesprochen, Effendi?« fragte der Araber. »Allah segne dich, Halef, daß du derer gedenkst, die dich lieben! Omar Ibn Sadek, mein Sohn, ist über den Schott nach Seftimi gegangen und wird noch heute wiederkehren.«
»Auch wir wollen über den Schott, und du sollst uns führen,« meinte Halef.
»Ihr? Wann?«
»Noch heute.«
»Wohin, Sihdi?«
»Nach Fetnassa. Wie ist der Weg hinüber?«
»Gefährlich, sehr gefährlich. Es giebt nur zwei wirklich sichere Wege hinüber an das
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