Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
vom Pferde. Vier Schüsse krachten – noch zwei, und als ich den Rappen rasch wandte, sah ich die Pferde der Bebbeh sich mit ihren Reitern am Boden wälzen.
»Fort! Schnell!«
Wir jagten vorwärts. Ich riß den Bebbeh zu mir empor und gab ihm einige saftige Ohrfeigen mit den Worten: »Das ist für den ›Giaur‹!« Dann ließ ich ihn fallen. Er kam hart neben den Hufen des Pferdes, doch ohne von ihnen verletzt zu werden, zur Erde nieder. Das alles war so schnell geschehen, daß erst jetzt die Bebbeh unter einem lauten Wuthgeheul ihre Pferde in Bewegung setzten.
»Habe ich recht oder unrecht gehandelt?« frug ich die Haddedihn während des Reitens.
»Emir,« antwortete Muhammed Emin, »Du hast recht gehandelt; der Mann hat nicht nur Dich, sondern auch uns beleidigt. Er darf kein Krieger mehr sein, denn er ist von einem Christen in das Gesicht geschlagen worden. Das ist schlimmer als der Tod und wird fürchterlich gerächt. Hüte Dich, jemals in die Hände der Bebbeh zu fallen; Du müßtest unter entsetzlichen Martern sterben!«
In zehn Minuten hatten die Bebbeh wieder zwei Abtheilungen gebildet; nur war die vordere jetzt weniger zahlreich, da fünf ihrer Pferde erschossen waren. Ich wartete noch eine Weile, bis der Abstand zwischen ihnen sich noch mehr vergrößert hatte, und gebot dann Halt. Die sechs vordersten Reiter hätten uns den ganzen Tag nicht aus den Augen verloren, denn ihre Pferde waren ausgezeichnet. Darum mußten wir diese Thiere erschießen. Dies erklärte ich den Haddedihn, stieg vom Pferde und ergriff die Büchse.
»Schießen?« frug Lindsay, der diese Anstalt beobachtete.
»Ja. Die Pferde weg.«
»Yes! Interessant! Viel Geld werth!«
Ich bat noch, nicht eher loszudrücken, als bis Jeder sicher sei, nicht den Mann, sondern das Pferd zu treffen.
Die Verfolger kamen herbeigesaust und befanden sich bereits in Schußweite, als sie unsere Absicht zu ahnen begannen. Anstatt zerstreut abzuschwenken, hielten sie an.
»Fire!« kommandirte Master Lindsay.
Obgleich die Araber das englische Wort nicht verstanden, wußten sie doch, was es zu bedeuten habe. Wir drückten ab, ich und Lindsay noch einmal, und bemerkten sofort, daß kein Fehlschuß gefallen war: – die sechs Pferde bildeten mit ihren Reitern auf dem Boden einen Knäuel, dessen Entwirrung abzuwarten, es uns leider an der nöthigen Zeit gebrach.
Nun stiegen wir wieder zu Pferde. Bald blieben die Verfolger weit zurück, und nach einer Weile befanden wir uns allein auf der Ebene.
Diese erreichte jedoch sehr bald ihr Ende. Es erhoben sich Berge vor uns, und auch von den Seiten traten Höhen zu unsheran. Wir hielten unwillkürlich die Pferde an, ohne uns irgend ein Zeichen dazu gegeben zu haben.
»Wohin?« frug Mohammed.
»Hm!« brummte ich.
Ich war noch nie im Leben so unsicher über die einzuhaltende Richtung gewesen, wie jetzt.
»Überlege, Emir!« sagte Amad. »Wir haben jetzt Zeit. Unsere Pferde mögen sich verschnaufen.«
»Ebenso leicht könnte ich sagen: Ihr sollt überlegen,« antwortete ich. »Ich weiß nicht genau, in welcher Gegend wir uns befinden, aber ich denke, daß im Süden von uns Nweizgieh, Merwa, Beytosch und Deira liegen. Diese Richtung würde uns nach Sulimania bringen – –«
»Dahin gehen wir nicht!« unterbrach mich Mohammed Emin.
»So haben wir uns für den Paß zu entschließen, von welchem wir gestern Abend sprachen. Wir können unsere gegenwärtige Richtung beibehalten, bis wir den Fluß Berozieh erreichen, welchen wir eine Tagreise lang aufwärts verfolgen müssen, um hinter Banna in die Berge zu kommen.«
»Ich stimme bei,« sagte Mohammed.
»Dieser Fluß hat für uns auch den Vortheil, daß er Persien von dem Ejalet scheidet, und wir können also die Ufer wechseln, je nachdem es unsere Sicherheit erfordert.«
Wir ritten nun weiter gegen Süden. Die Gegend stieg aus der Ebene immer mehr zur Höhe; Berge und Thäler wechselten in immer größerem Gegensatze. Am späten Nachmittag befanden wir uns mitten im Gebirge und kamen, kurz vor Sonnenuntergang, auf einer einsamen, dicht bewaldeten Höhe zu einer kleinen Hütte, aus deren Dachöffnung Rauch emporstieg.
»Hier wohnt Jemand, Sihdi,« meinte Halef.
»Jedenfalls ein Mensch, der uns nichts schaden kann. Ich werde mir ihn ansehen; bleibt bis dahin hier halten!«
Ich stieg ab und schritt auf das Häuschen zu. Es war aus Steinen erbaut, deren Ritzen man mit Moos verstopft hatte. Das Dach wurde von einer mehrfachen Lage dichter Zweige gebildet,
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