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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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    A n einem Freitag, morgens um dreizehn Minuten nach sechs, tat Lucy Angkatell ihre großen blauen Augen auf. Wieder ein neuer Tag, wieder war sie sofort hellwach und ebenso schnell bei den Problemen, die ihr unglaublich reger Geist hervorgesprudelt hatte. Rat und Rede waren dringend nötig, und dafür war ihre junge Kusine Midge Hardcastle, die am Vorabend im »Eulenhaus« eingetroffen war, genau die Richtige. Lady Angkatell schlüpfte aus dem Bett, warf sich ein Negligee um die noch immer anmutigen Schultern und machte sich auf zu Midges Zimmer. Sie hatte die Angewohnheit, aufreibend schnell zu denken, und fing das Gespräch mit Midge im Kopf schon allein an, wobei sie deren Antworten aus ihrer überschäumenden Fantasie gleich selbst lieferte.
    Sie riss die Tür zu Midges Zimmer also mitten im Gespräch auf. » – insofern, Schatz, musst du mir einfach Recht geben: Das Wochenende steckt voller Schwierigkeiten!«
    »Ähh – waaas?« Midge, die soeben abrupt aus einem zufriedenen Tiefschlaf gerissen worden war, gab undeutliche Grunzlaute von sich.
    Lady Angkatell ging durch bis zum Fenster, schob die Fensterläden auf und zog rasch die Jalousie hoch. Das blasse Licht eines sehr frühen Septembermorgens fiel herein.
    »Die Vögel!«, beobachtete sie fröhlich. »Wie süß.«
    »Was?«
    »Na, das Wetter wird immerhin keine Schwierigkeiten machen. Sieht aus, als ob es schön bleibt. Das ist ja schon mal was. Denn einen Haufen Leute, die sich nicht leiden können, in geschlossenen Räumen einzupferchen, macht die Sache zehnmal schlimmer, da stimmst du mir sicher zu. Womöglich bei Gesellschaftsspielen, wie letztes Jahr – also, ich verzeihe mir das mit der armen Gerda ja nie. Ich habe auch zu Henry hinterher gesagt, dass das furchtbar gedankenlos von mir war. Und natürlich muss man sie einladen, es wäre einfach rüpelhaft, John allein einzuladen. Aber das macht alles so schwierig – und das Schlimmste ist, sie ist ja so nett. Das ist doch wirklich drollig, dass jemand so Nettes wie Gerda so bar jeder Art von Intelligenz sein kann. Also, wenn das ausgleichende Gerechtigkeit sein soll, dann finde ich es jedenfalls sehr ungerecht.«
    »Wovon redest du eigentlich, Lucy?«
    »Vom Wochenende, Schatz. Von den Leuten, die morgen kommen.
    Ich habe mir die ganze Nacht den Kopf zerbrochen, ich bin furchtbar in Sorge. Also, es ist ja so eine Erleichterung, mit dir darüber zu reden, Midge. Du bist so praktisch und hast Verständnis.«
    »Lucy«, fragte Midge aufgebracht, »weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
    »Nicht genau, Schatz. Weiß ich doch nie.«
    »Viertel nach sechs.«
    »Ja, Schatz.« Lady Angkatell war nicht mal andeutungsweise zerknirscht.
    Midge sah sie finster an. Lucy konnte einen wahnsinnig machen, sie war unmöglich! Wieso nehmen wir das eigentlich alle hin?
    Aber Midge wusste die Antwort, noch bevor sie die Frage zu Ende gedacht hatte. Lucy Angkatell lächelte, und Midge sah sie nur an und spürte wieder den überwältigenden Charme, über den Lucy ihr Leben lang verfügt hatte und der auch heute, wo sie über sechzig war, nicht nachließ. Wegen dieses Charmes hatten Leute in der ganzen Welt – ausländische Potentaten, Adjutanten und Regierungsbeamte – unangenehme, ärgerliche und peinliche Situationen hingenommen. Lucys kindliche Freude, ihr Vergnügen an ihrem eigenen Tun entwaffnete jede Kritik und machte sie wirkungslos. Lucy brauchte bloß die großen blauen Augen aufzuschlagen und einem die zierlichen Hände entgegenzustrecken und: »O nein! Das tut mir ja so leid…« zu sagen, und Übelnehmen war augenblicklich unmöglich.
    »Schatz«, sagte sie jetzt, »es tut mir ja so leid. Das hättest du mir doch sagen müssen!«
    »Ich sage es dir gerade – aber jetzt ist es sowieso zu spät! Ich bin hellwach.«
    »Nein, wie peinlich! Aber du hilfst mir trotzdem, ja?«
    »Mit dem Wochenende? Wieso? Was soll denn damit sein?«
    Lady Angkatell setzte sich auf Midges Bettrand. So saß niemand sonst auf Betträndern, dachte Midge. Es war so immateriell, als habe sich eine Elfe ein Minütchen lang niedergelassen.
    Lady Angkatell streckte ihr die zitternden weißen Hände entgegen – eine hilflos-liebliche Geste.
    »Es kommen lauter falsche Leute – ich meine, Leute, die nicht zusammenpassen, sonst sind sie nicht falsch. Alle ganz charmant sogar.«
    »Wer kommt denn?« Midge schob sich mit ihrem stämmigen braunen Arm drahtige schwarze Haare aus der kantigen Stirn. Immateriell oder elfengleich war

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