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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Du, wenn Du stirbst,
     
    Wünschen wirst, gelebt zuhaben!«
     
    Keine andere Mahnung, und tauchte sie aus dem wärmsten Herzblute, aus der heißesten Thränenfluth empor, vermag den Ernst und die Dringlichkeit derjenigen zu erreichen, welche wir heute aus der Fülle unseres reichen Kirchenliederschatzes schöpfen, und doch wie Mancher, wie gar so Mancher hat diese Worte als Schulpensum eingelernt und in der Kirche oder bei der letzten Fahrt eines Dahingeschiedenen mitgesungen, ohne ihr die Seele zu öffnen und Wirkung für das Leben zu gestatten!
    Kein Wort auf der Zunge des Menschen wiegt so schwer, wie das kleine Wörtchen »Tod,« kein Augenblick des längsten, reichsten und bewegtesten Lebens kommt an Bedeutung dem Momente gleich, welcher dem müden Pulse gebietet auszuruhen für immer; aber wie zur Zeit Christi, des Weisesten der Lehrer, giebt es auch heute Jungfrauen, deren Leuchten das Oel mangelt, wenn die Stunde der Mitternacht hereinbricht, und stets wird sich der Ausspruch bewahrheiten:
     
    »Der, den der Tod nicht weiser macht,
    Hat nie mit Ernst an ihn gedacht!«
     
    Stemme Deinen von Jugendkraft strotzenden Körper gegen das Geschick, wirf die geballte Faust empor zum Himmel, spotte des Glaubens, der sich an die Hoffnung des Ewigen klammert, verlache die Demuth, welche die irdische Schwäche bekennt, schmücke Deine Bahn mit den schönsten Blumen und Deine Stirn mit den besten Erfolgen, sei ruhig, sei sogar glücklich nach Deiner Ansicht und in Deiner Weise – balde, gar balde, und wäre es nach irdischem Zeitmaße noch so spät, wird Dir ein Tag erscheinen, an welchem Dein sterbender Körper sich unter der letzten Zuckung krümmt, Deine zitternde Hand vergebens nach Halt um sich greift, der spottende Mund sich zum verzweifelten Hilferuf öffnet, die lachenden Mienen sich schmerzvoll verzerren und Alles, Alles, was Du warst und hattest, zusammenbricht vor dem letzten Hauche Deines fliehenden Athems.
    In dieser Stunde fühlst Du Nichts, Nichts, als nur das Eine, daß Du mit dem, was Du dachtest, was Du redetest und was Du vollbrachtest, auf der Wage liegest, daß der Halt unter Dir schwindet und Du hoch emporgeschnellst unter dem Gewichte der Pflichten, die Du versäumt. Woran willst Du Dich dann klammern, da Du nicht zurückkehren, nicht von Neuem beginnen und Nichts sühnen und wieder gut machen kannst? Zu spät ist’s dann; aber heute, jetzt ist’s noch Zeit, und der beste, der sicherste, der einzige Halt, den Du finden kannst, er bietet sich Dir in der oben erklungenen Mahnung:
     
    »Lebe, wie Du, wenn Du stirbst,
    Wünschen wirst, gelebt zu haben!«

Herbstgedanke n
     
    »Vernimm auch Du des Herbstes Stimme,
    Hör, was er sagt und folge ihm!«
     
     
    Weder der zu traulichem Beisammensein ladende Winter noch der liebeglühende Frühling oder der Rosen spendende, Früchte reifende Sommer übt einen so ergreifenden Eindruck aus auf das menschliche Gemüth, wie der Herbst mit seinen welkenden Blumen, hinsterbenden Fluren und erbleichenden Farben.
    Der große Zug nach der Mutter Erde, welchem selbst der Stärkste und Gewaltigste gehorsamen muß, zeigt   triumphirend seine Herrschaft über die Natur. Das letzte Lied der Nachtigall ist verklungen; schief und schiefer fallen die Strahlen der Sonne; leer wird’s auf Feld und Flur, und die schaffende Kraft will ausruhen von der segnenden Arbeit der verflossenen Wochen. Schon glänzt am Morgen der Reif auf den Spitzen der Gräser; der »Nachsommer« löst sich von den Stoppeln, und »eindringlich mild« zieht der Geruch des Herbstes durch die Lüfte.
    Es ist die Zeit des Scheidens. Und wie die Gefühle des Herzens höher flammen in der Stunde des Abschiedes und alle Regungen des Inneren emporwallen in das thränenumflorte Auge, so sendet das Jahr die schönsten seiner Tage in den Herbst, und süße, beseligende Wemuth breitet sich über die weichen, sehnsuchtsathmenden Abende.
    Und diese Weichheit, diese Sehnsucht bemächtigt sich des menschlichen Herzens. Sie mildert seine Leiden, verklärt seine Freuden und wirkt veredelnd auf alle seine Stimmungen. Wie an dem keuschen, unter dem Weh des Scheidens seufzenden und von hoffenden Wünschen geschwellten Busen der Geliebten, so ruht der Empfängliche in der Umarmung des Herbstes und saugt aus seinem Kusse die Ahnung, daß Glück und Seligkeit wohl fliehen, nicht aber uns für immer fern bleiben können.
    Mag das Laub fallen und die Blume welken, es liegt doch im Fallen und Welken kein spurlos

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