Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
dem andern und bestimmt mit Hilfe der Spectralanalyse die Stoffe, aus welchen Himmelskörper bestehen, die selbst der Blitz erst nach Jahrhunderten erreichen könnte.
»Wo warst Du, da ich die Erde gründete? Sage mir es, bist Du so klug? Worauf stehen ihre Füßen versenket und wer hat ihr einen Eckstein gelegt, da mich die Morgensterne lobeten und jauchzeten alle Kinder Gottes?« fragt Hiob, und seine Zeit mußte zu diesen Fragen schweigen, während wir vor ihnen nicht mehr zu erschrecken brauchen.
Diese »Kinder Gottes«, diese »Jerubim und Seraphim«, wie unsre Bibel die Sterne nennt, jauchzen dem Herrn Zebaoth ihr Hallelujah von Ewigkeit zu Ewigkeit; wir vernehmen ihre Stimme und – sprechen nicht blos von der Musik der Sphären, sondern berechnen mit genauen Zahlen die Intervalle der großen Weltenharmonie.
Die Alten erklärten sich die Entstehung der Milchstraße durch die Sage von der Ziege Amalthea, welche am Himmel weidete und denselben mit ihrer Milch betröpfelte. Welcher Unterschied zwischen dieser kindlich naiven Anschauung und den Aufklärungen, welche uns die jetzige Astronomie ertheilt! Ist es uns auch nicht möglich, jene »Zervan akerene« (anfanglose Zeit), von welcher die persischen Religionsbücher berichten, zu begreifen, so dürfen wir doch mit Stolz auf die Errungenschaften der heutigen Wissenschaft blicken, und wenn wir auch nicht vermessen genug sein können, den Himmek stürmen zu wollen, so wissen wir doch, daß uns die Entwickelung mit wenn auch langsamen, aber doch sicheren und unaufhaltsamen Schritten zu ihm emporführen wird. Und das ist die Seligkeit, welche unsrer wartet; das ist das Reich Gottes in welchem das kleine Senfkorn des menschlichen Wissens zu einem Baume heranwachsen wird, welcher ewige und unvergängliche Früchte trägt.
Die Heimath, die da droben unsrer wartet, zieht unser bestes und schärfstes Denken himmelwärts und nimmt unser Fühlen und Wollen gefangen in einer Sehnsucht, welche, den Meistern unbewußt, sich wie ein Faden durch unser ganzes Leben zieht.
In den unergründlichen Tiefen des blauen Aethers liegt unsre Zukunft verborgen; mag der Zweifler spotten, es kommt ihm doch die Stunde, in welcher ihn eine Ahnung des Zukünftigen, welchem er sich nicht entziehen kann, überwältigt, und es ist mit Richten ein Triumph des Menschengeistes, wenn er sich lossagt von dem Vertrauen zum Vater, der sein Kind aus der Finsterniß zum Lichte, aus dem Dunkel zur Klarheit emporziehen will an seine Rechte.
Wenn in stiller Abendstunde der ernste Blick sich zu dem funkelnden Diademe des Himmels erhebt und, wie magnetisch festgehalten, bei den Lichtern der Nacht, der »Tausendäugigen« verweilt, so schwellt sich die Brust unter jenem Gefühle, für welches die Sprache noch nicht das rechte Wort erfand, weil sie den Ort nicht kennt, nach welchem die Sehnsucht des einsamen Menschenherzens gerichtet ist.
Wie das entzückte Auge der Braut immer wieder zurückkehrt zu den strahlenden Steinen, mit welchen sie der glückliche Bräutigam zu schmücken strebte, so kann das sinnige Gemüth nicht lassen von den funkelnden »Runen« des Himmels, welche in unvergänglicher Sprache die Liebe »Alfadurs« predigen und ihr mildes, tröstendes und beruhigendes Licht herniedersenden in das Bangen und Verlangen des Erdenlebens.
Mag die Wolke zeitweilig sie verhüllen, sie erscheinen doch immer von neuem, jene »Coyllur cunna«, die himmlischen Heere, wie das untergegangene Volk der Inka’s die Sterne nannte; ihr Schimmer kann nicht lassen von der kleinen Erde und nimmt Abschied von dem einen Volke nur, um dem andern aufzugehen und im Verschwinden das Nahen des jungen Morgens, des hellen Tages zu verkünden. Und treu wie sie, ist ihnen auch der Mensch.
Klopft sein Puls schneller unter dem belebenden Drange der Freude oder befeuchtet die Wimper sich mit den Perlen des Leides, legt der Kummer sich wie ein Berg auf die ermüdende Seele oder verdoppelt begeisternde Hoffnung die Kraft des denkenden Geistes, des schaffenden Armes, jede Regung seines Innern richtet die Sterne seines Auges empor zu ihren himmlischen Brüdern und macht sie zu Vertrauten seines Schmerzes, seines Glückes.
Und was Tausende unbewußt thun und unbeachtet empfinden, dem giebt der Dichter deutlichen Ausdruck in den Klängen, welche seiner Leyer entströmen, um hinauf zu tönen »über die Wolken.«
Der alttestamentliche Seher sieht mit prophetischem Blicke die Hoffnung seines Volkes sich erfüllen durch das
Weitere Kostenlose Bücher