Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Aufgehen von dem »Sterne« Davids, und die Geburt des gottähnlichsten der Menschen ward verkündet durch den Lobgesang der »himmlischen Heerschaaren« und das Erscheinen jenes Heroldes, von welchem die drei Könige sagten: »Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande.«
Die packende Macht der biblischen Poesie knüpft die höchste Seligkeit an das Wort »Himmelreich« und verdeutlicht das größte Entsetzen durch das Bild der fallenden Sterne. Mit überwältigenden Worten schildert der »Gottessohn« den Hereinbruch des göttlichen Strafgerichtes: »Es werden Sonne und Mond den Schein verlieren; die Sterne werden herniederfallen, und die Kräfte der Himmel werden sich bewegen. Alsdann werden heulen alle Geschlechter auf Erden.« Wie er, so that schon Moses, der große Führer und Gesetzgeber des Volkes Israel, welcher den Fluch der Sünde nicht drohender verkündigen konnte, als in den Worten: »Der Himmel über deinem Haupte wird sein wie Erz, die Erde unter deinen Füßen wie Eisen, und Staub und Asche wird es regnen!« Lieblich und verheißungsvoll dagegen klingt sein Segen über Asser, dem Sohne Jacobs: »Der im Himmel sitzet und deß’ Herrlichkeit in den Wolken ist, der sei deine Hilfe!«
Und wie die Bibel, – Sung Tscheet, das »himmlische Buch,« wird sie von den Chinesen genannt – so weist auch das fromme Kirchenlied die Sehnsucht nach Gottes Liebe und Segen immer nach oben.
»Befiehl du deine Wege
Und was dein Herz nur kränkt,
Der allertreusten Pflege
Deß’, der den Himmel lenkt.
Der Wolken Luft und Winden
Giebt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Wo dein Fuß gehen kann!«
singt Paul Gerhardt, und nie ist wohl das Gottvertrauen besser ausgesprochen und begründet worden, als in dem einfach schönen Kinderliede
»Weißt du, wie viel Sternlein stehen
An dem blauen Himmelszelt,
Weißt du, wie viel Wolken gehen
Weithin über alle Welt etc.«
Wenn der Dichter der Urania singt:
»Nächtlich einsam wandl’ ich durch die Haide,
Wo mein Geist den weiten Raum durchschifft.
Wer enthüllt mir diese Sternenschrift
An dem feierlichen Prachtgebäude?«
so antwortet der Sänger des Vaterunsers:
»Du hast die Säulen dir aufgebaut
Und deine Tempel gegründet.
Wohin mein gläubig Auge nur schaut
Dich Herr und Vater es findet!«
und wie die Pflanze nicht am Tage wächst, sondern dann, wenn die Sonne hinter dem Horizonte verschwunden ist, so ist es auch »Dunkelglanzmähne«, wie die nordische Mythologie die Nacht nennt, welche vorzugsweise das Gemüth zu jenem ernsten Sinnen stimmt, aus welchem der Glaube sein Wachsthum zieht. Der Tag schlingt um den Menschen die Fesseln der Arbeit und der Sorge; die Nacht befreit ihn aus diesen Banden, gewährt ihm Ruhe und spricht zu ihm von der Aufgabe, welche höher ist als alle seine irdischen Verpflichtungen.
Das Herz mit seinen unergründlichen Tiefen und unerforschten Räthseln ist dem Firmamente verwandt. Wie die Höhen des Himmels, hat es seine Sterne, seine Meteore, seine Wolken, und darum macht es seine schönsten Rechte am liebsten dann geltend, wenn die Abenddämmerung ihren duftigen Schleier über die Erde gewoben und der letzte Strahl des sinkenden Tages die erglühenden Spitzen der Berge zum Abschied geküßt hat.
Dann lächeln die Sterne so »freudvoll und leidvoll« von oben herab, und so »leidvoll und freudvoll« hebt sich die Brust unter den Regungen des kleinen und doch so großen Menschenherzens.
Und wie der glanzumflossene Bogen des Himmels sich so gern mit der krystallenen Fluth vermählt und sein Bild in sie herniederlegt, so schickt der Himmel, welcher im Allerheiligen der Menschen Brust ruht, sein Bild empor in das Krystall des Auges und breitet seine verklärenden oder verdüsternden Farben selbst über die Züge des Angesichtes.
Wer in das reine Auge eines Kindes, in das verzeihende Auge einer Mutter gesehen oder dem vertrauensvollen, hingebenden Blick der Geliebten begegnete, der hat die Seligkeit gefühlt, welche dieser Himmel zu spenden vermag. Möge Jeder sein Herz bewahren in treuer Sorge; denn auch er trägt einen Himmel in demselben, auf dessen Sternenstrahl die Seinen ein heilig Anrecht haben! –
Werfen wir nach dieser letzten, dem Gemüthe gewidmeten Betrachtung einige Streiflichter auf den Weltprozeß.
Der Prozeß eines werdenden, im wechselvollen Dasein bestehenden und endlich in seiner Individualität untergehenden Weltkörpers und Weltkörpersystems hat
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