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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Körper nicht trotz der äußerst schmalen Kost so überaus kräftig entwickelt hätte, daß er selbst solche Anstrengungen ganz leidlich ertragen konnte. Und es gab auch Zeiten und Stunden der Erholung. Vater pflegte nämlich keinen Spaziergang und keinen Weg über Land zu machen, ohne mich mitzunehmen. Er pflegte hieran nur eine Bedingung zu knüpfen, nämlich die, daß kein Augenblick der Schulzeit dabei versäumt wurde. Die Spaziergänge durch Wald und Hain waren wegen seiner reichen Pflanzenkenntnisse immer hochinteressant. Aber es wurde auch eingekehrt. Es gab bestimmte Tage und bestimmte Restaurationen. Da kamen der Herr Lehrer Schulze, der Herr Rektor, der reiche Wetzel, der Herr Kämmerer Thiele, der Kaufmann Vogel, der Schützenhauptmann Lippold und andere, um Kegel zu schieben oder einen Skat zu spielen. Vater war stets dabei und ich mit, denn ich mußte. Er meinte, ich gehöre zu ihm. Er sah mich nicht gern mit andern Knaben zusammen, weil ich da ohne Aufsicht sei. Daß ich bei ihm, in der Gesellschaft erwachsener Männer, gewiß auch nicht besser aufgehoben war, dafür hatte er kein Verständnis. Ich konnte da Dinge hören, und Beobachtungen machen, welche der Jugend am besten vorenthalten bleiben. Uebrigens war Vater selbst in der angelegtesten Gesellschaft außerordentlich mäßig. Ich habe ihn niemals betrunken gesehen. Wenn er einkehrte, so war sein regelmäßiges Quantum ein Glas einfaches Bier für sieben Pfennige und ein Glas Kümmel oder Doppelwacholder für sechs Pfennige; davon durfte auch ich mit trinken. Bei besonderen Veranlassungen teilte er ein Stückchen Kuchen für sechs Pfennige mit mir. Niemand hat ihn jemals gewarnt, mich in solche Gesellschaften von Erwachsenen mitzubringen, selbst der Rektor und der Pastor nicht, der sich auch zuweilen einstellte. Diese Herren wenigstens mußten doch wissen, daß ich da selbst auf erlaubten und vollständig reinen Unterhaltungsgebieten als stiller, aber sehr aufmerksamer Zuhörer in Dinge und Verhältnisse eingeweiht wurde, die mir noch Jahrzehnte lang fernzuliegen hatten. Ich wurde nicht frühreif, denn dieses Wort pflegt man nur auf Geschlechtliches zu beziehen, und davon bekam ich nichts zu hören, sondern etwas noch viel Schlimmeres: Ich wurde aus meiner Kindheit herausgehoben und auf den harten, schmutzigen Weg gezerrt, auf dem meine Füße das Gefühl haben mußten, als ob sie auf Glassplittern gingen. Wie wohl ich mich dann fühlte, wenn ich zu Großmutter kam und bei ihr mich in mein liebes, liebes Märchenreich flüchten konnte! Freilich war ich viel zu jung, um einzusehen, daß dieses Reich sich aus der wahrsten, festesten Wirklichkeit erhob. Für mich hatte es keine Füße; es schwebte; es konnte mir erst später, wenn ich mich zum Verständnis emporgearbeitet hatte, die Stütze bieten, die mir so nötig war.
    Da kam ein Tag, an dem sich mir eine Welt offenbarte, die mich seitdem nicht wieder losgelassen hat. Es gab Theater. Zwar nur ein ganz gewöhnliches, armseliges Puppentheater, aber doch Theater. Das war im Webermeisterhause. Erster Platz drei Groschen, zweiter Platz zwei Groschen, dritter Platz einen Groschen, Kinder die Hälfte. Ich bekam die Erlaubnis, mit Großmutter hinzugehen. Das kostete fünfzehn Pfennige für uns beide. Es wurde gegeben: »Das Müllerröschen oder die Schlacht bei Jena.« Meine Augen brannten; ich glühte innerlich. Puppen, Puppen, Puppen! Aber sie lebten für mich. Sie sprachen; sie liebten und haßten; sie duldeten; sie faßten große, kühne Entschlüsse; sie opferten sich auf für König und für Vaterland. Das war es ja, was der Herr Kantor damals gesagt und bewundert hatte! Mein Herz jubelte. Als wir nach Hause gekommen waren, mußte Großmutter mir beschreiben, wie die Puppen bewegt werden.
    »An einem Holzkreuze,« erklärte sie mir. »Von diesem Holzkreuze, gehen die Fäden hernieder, die an die Glieder der Puppen befestigt sind. Sie bewegen sich, sobald man oben das Kreuz bewegt.«
    »Aber sie sprechen doch!« sagte ich.
    »Nein, sondern die Person, die das Kreuz in den Händen hält, spricht. Es ist genau so, wie im wirklichen Leben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das verstehst du jetzt noch nicht; du wirst es aber verstehen lernen.«
    Ich gab keine Ruhe, bis wir die Erlaubnis erhielten, nochmals zu gehen. Es wurde gespielt »Doktor Faust oder Gott, Mensch und Teufel.« Es wäre ein resultatloses Beginnen, den Eindruck, den dieses Stück auf mich machte, in Worte fassen zu wollen. Das war nicht der

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