Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Sie dringend, nun Ihr Versprechen mir gegenüber wahr zu machen. Ich will diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Sie zu fragen, ob Sie nicht geneigt wären, einmal einen recht packenden, fesselnden und situationsreichen Roman zu schreiben. Ich würde Ihnen in diesem Falle ein Honorar bis zu tausend Mark pro »Fels«-Bogen zusichern können, wenn Sie etwas Derartiges schreiben würden.
In vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
Josef Kürschner.
Das Honorar, welches ich von Pustet bekam, war gegen diese tausend Mark so unbedeutend, daß ich mich scheue, seinen Betrag hier zu nennen. Wenn ich Pustet trotzdem vorgezogen habe, so ist das ein gewiß wohl mehr als hinreichender Beweis, daß ich für den »Hausschatz« nicht geschrieben habe, um »mehr Geld zu machen, als ich von Andern bekam«. Auch meine andern Verleger zahlten bedeutend mehr als Pustet. Das muß ich, um diesen böswilligen Ausstreuungen zu begegnen, hiermit konstatieren. Ueber den Inhalt dieser meiner Hausschatzerzählungen berichte ich an anderer Stelle. Ich habe, der Logik der Tatsachen gehorchend, mich von Pustet zurück zu Münchmeyer zu wenden.
Es war im Jahre 1882, als ich mit meiner Frau auf einer Erholungstour nach Dresden kam. Ich hatte ihr Münchmeyer so lebhaft geschildert, daß sie sich ein ganz richtiges Bild von ihm machen konnte, obgleich sie ihn noch nicht gesehen hatte. Sie wünschte aber sehr, ihn kennen zu lernen, von dem ihr auch Andere gesagt hatten, daß er ein hübscher Kerl, ein glanzvoller Unterhalter und für schöne Frauen begeistert sei. Er pflegte in dieser Jahreszeit um die Dämmerstunde in einer bestimmten Gartenrestauration zu verkehren. Als ich ihr das sagte, bat sie mich, sie hinzuführen. Ich tat es, obgleich es mir widerstrebte, ihm diejenige zu zeigen, die ich seiner Schwägerin vorgezogen hatte. Ich hatte mich nicht geirrt. Er war da. Der einzige Gast im ganzen Garten. Die Freude, mich wiederzusehen, war aufrichtig; das sah man ihm an. Aber gab es nicht vielleicht auch geschäftliche Ursachen zu dieser Freude? Er hatte gar so zusammengedrückt und niedergeschlagen dagesessen, den Kopf in beide Hände gelegt. Nun aber war er plötzlich froh und munter. Er strahlte vor Vergnügen. Er machte mir in seiner Kolportageweise die unmöglichsten Komplimente, eine so schöne Frau zu haben, und meiner Frau gratulierte er in denselben Ausdrücken zu dem Glück, einen so schnell berühmt gewordenen Mann zu besitzen. Er kannte meine Erfolge, übertrieb sie aber, um uns beiden zu schmeicheln. Er machte Eindruck auf meine Frau, und sie ebenso auf ihn. Er begann, zu schwärmen, und er begann, aufrichtig zu werden. Sie sei schön wie ein Engel, und sie solle sein Rettungsengel werden, ja, sein Rettungsengel, den er brauche in seiner jetzigen großen Not. Sie könne ihn retten, indem sie mich bitte, einen Roman für ihn zu schreiben. Und nun erzählte er:
Als ich aus seinem Geschäft getreten war, hatte er keinen passenden Redakteur für die von mir gegründeten Blätter gefunden. Er selbst verstand nicht, zu redigieren. Sie verloren sehr schnell ihren Wert; die Abonnenten fielen ab; sie gingen ein. Dabei blieb es aber nicht. Es wollte überhaupt nichts mehr gelingen. Verlust folgte auf Verlust, und jetzt stand es so, daß er die Hamletfrage Sein oder Nichtsein nicht länger von sich weisen konnte. Er habe soeben, in diesem Augenblick, darüber nachgedacht, durch wen oder was er Rettung finden könne, doch vergeblich. Da seien wir beide gekommen, grad wie vom Himmel geschickt. Und nun wisse er, daß er gerettet werde, nämlich durch mich, durch einen Roman von mir, durch meine schöne, junge, liebe, gute Herzensfrau, die mir keine Ruhe lassen werde, bis dieser Roman in seinen Händen sei. Der Pfiffikus hatte sich durch diese derben Lobeserhebungen der Mithilfe meiner unerfahrenen Frau vollständig versichert. Er drang in mich, ihm seinen Wunsch zu erfüllen, und sie bat mit. Er stellte mir klugerweise vor, daß eigentlich nur ich schuld an seiner jetzigen schlimmen Lage sei. Vor sechs Jahren habe alles außerordentlich gut gestanden; aber daß ich seine Schwägerin nicht habe heiraten wollen und aus der Redaktion gegangen sei, das habe alles in das Gegenteil verwandelt. Um das wieder gut zu machen, sei ich also moralisch geradezu verpflichtet, ihm jetzt unter die Arme zu greifen.
Was diesen letzteren Gedanken betraf, so fühlte ich gar wohl, daß etwas Wahres daran sei. Man hatte damals meine Bereitwilligkeit,
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