Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Dresden auf, um bei den Eltern in Ernsttal zu wohnen. Es war damals eine Zeit ganz eigenartiger innerer und äußerer Entwickelungen für mich. Ich schrieb und machte Reisen. Von einer dieser Reisen zurückgekehrt, erfuhr ich, kaum aus dem Kupee gestiegen, daß heute nacht der »alte Pollmer« gestorben sei; der Schlag habe ihn getroffen. Ich eilte nach seiner Wohnung. Man hatte mir zu viel gesagt. Er war nicht tot; er lebte noch, konnte aber weder sprechen, noch sich bewegen. Sein Enkelkind saß in einer seitwärts liegenden Stube bei einer klingenden Beschäftigung. Sie hatte nach seinem Gelde gesucht und es gefunden. Es war nicht viel; ich glaube, kaum zweihundert Mark. Ich zog sie davon fort, zu dem Kranken hinüber. Er erkannte mich und wollte reden, brachte es aber nur zu einem unartikulierten Lallen. Aus seinem Blicke sprach eine ungeheure Angst. Da kam der behandelnde Arzt. Er hatte ihn schon gleich früh am Morgen untersucht, tat dies jetzt wieder und gab uns den Bescheid, daß alle Hoffnung vergeblich sei. Als er sich entfernt hatte, glitt die Tochter des Sterbenden vor mir nieder und bat mich, sie ja nicht zu verlassen. Ich versprach es ihr und habe Wort gehalten. Ich habe sogar noch mehr getan. Ich habe ihren Wunsch erfüllt, in Hohenstein wohnen zu bleiben. Wir mieteten uns eine Etage des oberen Marktes und hätten da unendlich glücklich leben können, wenn uns ein solches Glück beschieden gewesen wäre.
Ich schrieb damals schon einige Jahre lang für Pustet in Regensburg, in dessen »Deutschem Hausschatz« meine »Reiseerzählungen« erschienen. Die Firma Pustet ist eine katholische und der »Deutsche Hausschatz« ein katholisches Familienblatt. Aber diese konfessionelle Zugehörigkeit war mir höchst gleichgültig. Der Grund, warum ich dieser hochanständigen Firma treugeblieben bin, war kein konfessioneller, sondern ein rein geschäftlicher. Kommerzienrat Pustet ließ mir nämlich schon bei der zweiten, kurzen Erzählung durch seinen Redakteur Vinzenz Müller mitteilen, daß er bereit sei, alle meine Manuskripte zu erwerben, ich solle sie keinem andern Verlage senden. Und zahlen werde er sofort. Bei längeren Manuskripten, die ich ihm nach und nach schicken solle, gehe er sehr gern auf Teilzahlungen ein; so viel Seiten, so viel Geld! Es wird wohl selten einen Schriftsteller geben, dem ein solches Anerbieten gemacht wird. Ich ging mit Freuden darauf ein. Rund zwanzig Jahre lang ist das Honorar, wenn ich das Manuskript heute zur Post sandte, genau übermorgen eingetroffen. Ich erinnere mich keines einzigen Males, daß es später gekommen wäre. Und niemals hat es in Beziehung auf das Honorar auch nur die geringste Differenz zwischen uns gegeben. Ich habe nie mehr verlangt, als was vereinbart worden war, und als Pustet es mir plötzlich verdoppelte, tat er das aus eigenem, freien Entschlusse, ohne daß ich einen hierauf bezüglichen Wunsch geäußert hatte. Solchen Verlegern bleibt man treu, auch ohne nach ihrem Glauben und ihrer Konfession zu fragen.
Aber noch wertvoller als diese Pünktlichkeit war für mich der Umstand, daß alle meine Manuskripte vorausbestellt waren und sicher an- und aufgenommen wurden. Das machte es mir möglich, meine auf die »Reiseerzählungen« bezüglichen Pläne nun endlich auszuführen. Es war mir nun der nötige Spaltenraum für lange Zeit hinaus sichergestellt. Durch wen ich diese Erzählungen dann später in Buchform herausgeben würde, war eine Frage, die einstweilen noch offenbleiben konnte. Es gibt feindselige Menschen, welche behaupten, daß ich mich nur um des Geldes willen an diesen katholischen Verlag herangemacht habe. Das ist eine Unwahrheit, für deren Gewissenlosigkeit und Verwerflichkeit ich keine Worte finde. Ich habe ganz das Gegenteil von dem getan, dessen man mich da beschuldigt. Ich habe dem »Deutschen Hausschatz« und seinem Herausgeber Opfer gebracht, von deren Größe die Familie Pustet keine Ahnung hatte. Vor mir liegt ein Brief, den Professor Josef Kürschner, der bekannte, berühmte Publizist, mit dem ich sehr befreundet war, am 3. Oktober 1886 an mich schrieb. Es handelte sich um die bei Spemann in Stuttgart erscheinende Revue »Vom Fels zum Meere«, für welche ich mitgearbeitet habe. Der Brief lautet wie folgt:
»Sehr geehrter Herr!
Sie haben inzwischen schon wieder für andere Unternehmungen Beiträge geliefert, während Sie mich mit dem längst Versprochenen noch immer im Stiche ließen. Das ist eigentlich nicht recht, und ich bitte
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