Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
die Schwester der Frau Münchmeyer zu heiraten, für so selbstverständlich gehalten, daß überall davon gesprochen worden war. Dadurch, daß ich den Plan zurückwies, hatte nicht nur dieses Mädchen, sondern auch die ganze Familie eine beinahe öffentliche Zurücksetzung erlitten, an der ich zwar nicht die Schuld trug, die mich aber geneigt machte, Münchmeyer als Ersatz dafür irgend eine Liebe zu erweisen. Hierzu kam, daß wir uns nicht gezankt hatten, sondern als Freunde auseinander gegangen waren. Es konnte also wohl einen geschäftlichen, nicht aber einen persönlichen Grund geben, seinen Wunsch zurückzuweisen. Aber auch in geschäftlicher Beziehung lag kein zwingender Grund vor, mich zu weigern. Zeit hatte ich; ich brauchte sie mir nur zu nehmen. In dem Umstand, daß Münchmeyer Kolportageverleger war, lag kein Zwang für mich, ihm nun auch meinerseits nichts Anderes als nur einen Schund- und Kolportageroman zu schreiben. Es konnte etwas Besseres sein, eine organische Folge von Reiseerzählungen, wie ich sie Pustet und andern Verlegern lieferte. Tat ich das, so war damit zugleich auch meinem Lebenswerke gedient, und ich konnte das, was ich für Münchmeyer schrieb, ganz ebenso später für mich in Bänden erscheinen lassen, wie das für meine Hausschatzerzählungen bestimmt worden war.
Diese Erwägungen gingen mir durch den Kopf, während Münchmeyer und meine Frau auf mich einsprachen. Ich erklärte schließlich, daß ich mich vielleicht entschließen könne, den gewünschten Roman zu schreiben, doch nur unter der Bedingung, daß er nach einer bestimmten Zeit mit sämtlichen Rechten wieder an mich zurückfalle. Es dürfte an meinem Manuskripte absolut kein Wort geändert werden; das wisse er ja von früher her. Münchmeyer erklärte, hieraus einzugehen, doch möge ich ihn mit dem Honorar nicht drücken. Er sei in Not und könne nicht viel zahlen. Später, wenn mein Roman gut einschlage, könne er das durch eine »feine Gratifikation« ausgleichen. Das klang ja gut. Er bat, ihm keine Zeit zu setzen, an welcher der Roman wieder an mich zurückzufallen habe, sondern lieber eine Abonnentenzahl, nach welcher, sobald sie erreicht worden sei, er aufzuhören und mir meine Rechte wiederzugeben habe. Er berechnete, daß er mit sechs- bis siebentausend Abonnenten auf seine Rechnung komme; was darüber hinausgehe, sei Verdienst. Darum schlug ich vor, im Falle, daß ich den Roman schreiben werde, solle Münchmeyer bis zum zwanzigtausendsten Abonnenten gehen dürfen, weiter nicht; dann habe er mir eine »feine Gratifikation« zu zahlen, und der Roman falle mit allen Rechten an mich zurück. Ob ich ihn dann gegen das entsprechende Honorar bei ihm oder bei einem andern Verleger weiter erscheinen lasse, sei lediglich meine Sache. Hierauf ging Münchmeyer sofort ein, ich aber gab meine Zusage noch nicht definitiv; ich erklärte, mir die Sache erst noch reiflich überlegen und meine Entscheidung dann morgen geben zu wollen.
Münchmeyer kam schon am folgenden Morgen in unser Hotel, um sich meinen Bescheid zu holen. Ich sagte ja, halb freiwillig und halb gezwungen. Meine Frau hatte nicht nachgelassen, bis ich ihr das Versprechen gab, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Er bekam den Roman zu den erwähnten Bedingungen, nämlich nur bis zum zwanzigtausendsten Abonnenten. Dafür hatte er für die Nummer 35 Mark zu bezahlen und beim Schluß eine »feine Gratifikation«. Er gab den Handschlag. Unser Kontrakt war also kein schriftlicher, sondern ein mündlicher. Er sagte, wir seien beide ehrliche Männer und würden einander nie betrügen. Es klinge für ihn wie eine Beleidigung, von ihm eine Unterschrift zu verlangen. Ich ging aus zwei guten Gründen hierauf ein. Nämlich erstens durften nach damaligem sächsischen Gesetz bei Mangel eines Kontraktes überhaupt nur tausend Exemplare gedruckt werden; Münchmeyer hätte sich also, wenn er unehrlich sein wollte, nur selbst betrogen; so dachte ich. Und zweitens konnte ich mir den fehlenden schriftlichen Kontrakt sehr leicht und unauffällig durch Briefe verschaffen. Ich brauchte meine Geschäftsbriefe an Münchmeyer sehr einfach nur so einzurichten, daß seine Antworten nach und nach Alles enthielten, was zwischen uns ausgemacht worden war. Das habe ich denn auch getan und seine Antworten mir heilig aufgehoben.
Er wünschte sehr, daß ich mit dem Roman sofort beginne. Ich tat ihm diesen Gefallen und kehrte schleunigst nach Hohenstein zurück, um unverweilt anzufangen. Meine Frau trieb
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