Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
weil er mir seine Beleidigungen gerichtlich abgebeten hat und weil er gerichtlich versprochen hat, mich nun für immer in Ruhe zu lassen, also darum, »im Hinblick darauf« mußte die Frau nun ihre Kleinodien versetzen, damit man mich als den Schurken bezeichne, durch den sie in solches Elend getrieben worden sei! Wie nennt man so ein Verhalten? Und nachdem er sie in dieser Weise um ihr ganzes, früheres Einkommen und um ihre Schmucksachen gebracht hat, schreibt er in diesem seinem Briefe: »Ich habe auch durch meinen Syndikus Herrn Geheimrat Ueberhorst Schritte vorbereiten lassen, um wieder zu meinem Gelde zu kommen!« Gibt es hier überhaupt einen Ausdruck, durch den man imstande wäre, die Lebiussche Denk- und Handlungsweise erschöpfend zu charakterisieren?
Diese arme, von Lebius in fast jeder Beziehung vollständig ausgezogene Fran ist nicht etwa die erste oder einzige geschiedene Frau, deren er sich bemächtigte, um seine Zwecke zu erreichen. Es ist vielmehr eine ganz besondere taktische Gewohnheit von ihm, geschiedene Frauen gegen ihre Männer auszuspielen. Das eklatanteste Beispiel hiervon ist der Fall »Max Dittrich«. Indem ich ihn hier kurz erwähne, bitte ich um ganz besondere Aufmerksamkeit, weil er für die Beurteilung des Herrn Lebius von allergrößter Wichtigkeit ist.
Ich hatte bekanntlich, als dieser Herr seinen Besuch bei mir machte, den Redakteur und Militärschriftsteller Max Dittrich als Zeugen dazu geladen, aus Mißtrauen und Vorsicht, um gegen etwaige spätere Lügen und Schwindeleien des Herrn Lebius durch einen vollgültigen Zeugen geschützt zu sein. Herr Dittrich war damals vom Anfang bis zum Ende anwesend und hatte jedes von mir gesprochene Wort gehört. Einen solchen Zeugen zu haben, wurde Herr Lebius mit der Zeit immer peinlicher, immer gefährlicher. Er beschloß darum, ihn eidesunwürdig zu machen, also ganz dasselbe, was er auch bei mir getan hat und noch heute tut. Es ist das, wie sich später zeigen wird, ein persönlicher Trick von ihm, den er für unfehlbar hält – eidesunwürdig machen!
Er befolgt dabei den Grundsatz, den er uns während seines Besuches bei uns vortrug: Jeder Marsch, jeder Polizist und Richter, jeder Beamte hat Werg am Rocken, hat eine Schuld auf sich, die er verheimlichen muß. Man muß das entdecken und in die Zeitung bringen; dann wird man Herrscher und als »tüchtiger Kerl« bekannt. So tat Herr Lebius auch hier. Die erste Frau Max Dittrichs war gestorben; von der zweiten Frau hatte er sich scheiden lassen; jetzt war er infolge eines Schiffsbruchs, bei dem er nur gefährlich verletzt dem Tode entging, schwer nervenkrank geworden. Das gab ein hochinteressantes Material, aus dem sich jedenfalls etwas machen ließ! Herr Lebius ging also aus, um nach dem »Werg am Rocken«, nach der »heimlichen« Schuld und Sünde zu suchen. Er forschte überall, schriftlich, mündlich, persönlich. Er stellte sich überall ein, wo er glaubte, etwas erfahren zu können. Er scheute sich nicht, sogar zu Dittrichs Verwandten zu gehen. Er schlich sich zu Dittrichs alter Schwägerin, zu Dittrichs Neffen und Nichte, sogar zu Dittrichs zweiter Frau, die wieder verheiratet war und in glücklicher, stiller Ehe lebte. Er forschte sie aus, ohne daß sie ahnten, warum und wozu. Sie antworteten vertrauensvoll und unbefangen. Aber als er plötzlich zu ihrem Entsetzen die Worte »Gericht« und »Eid« fallen ließ, da fühlten sie die Krallen, in die sie geraten waren. Sie hatten nichts Böses sagen können und baten, sie aus dem Spiele zu lassen. Er versprach es ihnen. Besonders entsetzt über die Aussicht, in diesen Lebiusschen Schmutz verwickelt zu werden, war Dittrichs zweite Frau. Ihr jetziger Mann war ein lieber, guter, aber in Beziehung auf die »Ehre« sehr streng denkender, unerbittlicher Herr. Seine Frau in solcher Angelegenheit an Lebius’ Seite, das wäre unbedingt von den schwersten Folgen für ihn und sie gewesen! Sie bat also Lebius, sie ja nicht mit darin zu verwickeln, und er scheute sich nicht, es ihr hoch und heilig zu versprechen. Dann aber ging er schleunigst hin und brachte in Nummer 12 seiner »Sachsenstimme« einen Bericht, dem ich nur einige Punkte entnehme, die nicht einmal die schlimmsten sind, nämlich:
»Max Dittrich hatte von seiner ersten Frau keine Kinder, wohl aber zwei von seiner Stieftochter, bevor diese das 16. Lebensjahr erreichte.«
»Seine Frau härmte sich über die Ausschweifungen ihres Mannes zu Tode.«
»Obgleich seine zweite Frau sehr
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