Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Viertelstunde, um den Abend mit ihnen zu verplaudern, auch Marie gesellt hatte. Allen dreien, selbst Kathinka nicht ausgeschlossen, war es eine herzliche Freude, sich einmal allein und ganz unter sich zu wissen, und um diese Freude noch zu steigern, hatten sie sich aus dem großen Gesellschaftszimmer des Erdgeschosses in diese viel kleinere Stube des ersten Stockes zurückgezogen.
Tante Schorlemmer fehlte. Sie war gegen ihre Gewohnheit ausgeflogen und saß plaudernd in der Pfarre, während der alte Vitzewitz abwechselnd vom Schulzen Kniehase und dann wieder von Lewin und Tubal unterstützt, im Kruge seinen politischen Diskurs hatte. Die Bauern zeigten sich in allem willig; es war so recht ein Abend, um das Eisen zu schmieden.
Sehr anders, wie sich denken läßt, verliefen mittlerweile die Plaudereien unserer drei jungen Mädchen, von denen Renate durch besondere Lebhaftigkeit, Marie durch besondere Zurückhaltung sich auszeichnete. Sie hatte – aller Herzlichkeit unerachtet, mit der sich ihr Kathinka, wie schon bei früheren Gelegenheiten, so auch diesmal wieder genähert hatte – doch ein bestimmtes Gefühl, daß es sich für sie zieme, ihre schwesterlich-intime Stellung zu Renaten so wenig wie möglich geltend zu machen und nur bei gegebener Veranlassung, am liebsten, wenn aufgefordert, sich an dem Gespräche der beiden Cousinen zu beteiligen. Dieses Gespräch selbst war ihr Freude genug und wurd’ es mit jedem Augenblicke mehr, seit Kathinka, die halb sitzend, halb liegend, den rechten Fuß auf die Sofapolster gezogen hatte, von Berliner Gesellschaftszuständen und zuletzt von einer großen Soiree bei dem alten Prinzen Ferdinand zu sprechen begann.
»Das ist der Vater von dem Prinzen Louis, der bei Saalfeld fiel?« fragte Renate. »Was gäb’ ich drum«, fuhr sie fort, nachdem ihre Frage bejaht worden war, »wenn ich einer solchen Soiree beiwohnen könnte! Papa hat es mir für diesen Winter versprochen; aber die Zeiten sehen nicht darnach aus.«
»Du verlierst weniger dabei, als du meinst. Es sind Gesellschaften wie andere mehr. Du siehst Generale, Grafen, Präsidenten, als wärest du in Ziebingen oder in Guse; die Schleppen sind etwas länger, und ein paar hundert Lichter brennen mehr. Das ist alles.«
»Aber der Prinz wird doch keine Krachs und Bammes um sich versammeln?«
»Nicht ausschließlich; aber ebensowenig kann er sie vermeiden. Er hat keine Wahl; Stellung und Geburt entscheiden, nicht der Mann. Du siehst auf die Auserwählten von Schloß Guse mit so wenig Respekt, weil du sie kennst; aber laß deine Neugier und Eitelkeit erst einen einzigen Winter lang befriedigt sein, und es ist mit dem Zauber dieser Hofgesellschaften für immer vorbei.«
»Ich zweifle daran, wenn ich auch glaube, daß du persönlich nicht anders sprechen kannst. Du erhebst eben Ansprüche, die mir fremd sind. Ich für meinen Teil würde zufrieden sein, einen Blick in diese Welt tun zu dürfen, in der jeder etwas bedeutet. Nimm den alten Prinzen selbst; er ist der Bruder Friedrich des Großen; das allein genügt, ihn mir wert zu machen; ich könnte nicht ohne Ehrfurcht auf ihn blicken. Er würde mich vielleicht ignorieren oder ein an und für sich gleichgiltiges Wort an mich richten, aber es würde mir nicht gleichgiltig sein, ihn gesehen oder gesprochen zu haben.«
Kathinka lächelte.
»Du lachst mich aus«, fuhr Renate fort, »aber denke, daß ich das Leben eines armen Landfräuleins führe, öde und einsam, und statt der Mutter nur die gute Schorlemmer im Haus. Gib mir die Hand, Marie; du bist mir Trost und Freude, aber du kannst mir keinen Hofball ersetzen. Wie das alles blitzen und rauschen muß! Und dann der König selbst. Nenne mir ein paar Namen, Kathinka, daß ich mir eine Vorstellung machen kann.«
»O da ist der alte Graf Reale, der Gemahl der Oberhofmeisterin, der vor zwei Jahren auf Besuch in Guse war, und der Hofmarschall von Massow auf Steinhöfel, und der Herr von Eckardtstein auf Prötzel, und Herr von Burgsdorff auf Ziebingen, und Graf Drosselstein auf Hohen-Ziesar.«
»Aber die kenn’ ich ja alle.«
»Eben darum hab’ ich sie dir genannt.«
»Und die fremden Gesandten!« sagte Renate, der kurzen Unterbrechung nicht achtend. »Wie gern säh’ ich den Grafen von St. Marsan und den Minister Hardenberg, an dem Papa beständig zu mäkeln und zu tadeln hat. Ich denke mir ihn liebenswürdig. Apropos! Ist auch dein Graf Bninski, verzeihe, daß ich ihn so nenne, bei Hofe vorgestellt worden?«
»Nein. Er
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