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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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inneren Gewinn nicht in Betracht kommen. Andererseits trieb es ihn auch wieder, seinen Gedanken, die das Sorgenvolle eines zweiten stattgehabten Brandunglücks innerhalb wenig mehr als Jahresfrist nicht verkennen konnten, womöglich eine freundlichere Richtung zu geben, und die zur Hand liegenden Bücher sollten ihm dabei behülflich sein. Zuoberst lag immer noch der Band Herder. Als er ihn wieder aufschlug, fiel sein Auge auf dasselbe Lied, dessen Schlußzeilen ihn am Vormittage so weh ums Herz gemacht hatten, und abergläubisch, wie er war, sah er darin ein Zeichen von wenig guter Vorbedeutung. Er schloß verdrießlich das Buch, das ihm die gewünschte Freudigkeit nicht geben wollte, und weiter suchend, entdeckte er endlich ein broschürtes Heft, auf dessen zitronengelbem Umschlag, neben seinem eigentlichen Titel: »Chants et Chansons populaires«, noch von Tante Amelies charakteristischer Hand die Worte geschrieben standen: »Dedié à son cher neveu L.v.V. par Amélie, Comtesse de P.; Château de Guse, Noël 1812.« Lewin, voller Mißtrauen in den literarischen Geschmack der Guser Tante, hatte sich noch nicht entschließen können, in das Büchelchen hineinzusehen; lächelnd griff er jetzt nach demselben und blätterte darin. Eine der kleineren Abschnittsüberschriften, die er sich, vielleicht nicht ganz richtig, mit »Kinderreime« übersetzte, reizte flüchtig seine Neugier, und er begann zu lesen:
    Ma petite fillette, c’est demain sa fête.
    Je sais pour elle ce qui s’apprête:
    Le boulanger fait un gâteau,
    La couturière un petit manteau…
    »Das ist ja allerliebst«, sagte er, »und ganz, wonach ich mich gesehnt habe. Wie mir diese Reime wohltun!« Und er las unter steigendem Interesse bis zu Ende. Die Zeilen hafteten sofort in seinem Gedächtnis; aber das genügte ihm nicht, er wollte sie deutsch haben, wobei dahingestellt bleiben mag, ob nicht vielleicht schon die nächste Kastaliasitzung mit aufmunterndem Winken vor seiner Seele stand. Jedenfalls war es unter dem Einfluß einer freudigerregten Stimmung, die auch dem Übersetzer rascher die Feder führt, daß er wie im Fluge die Reimpaare der zierlichen kleinen Strophe niederschrieb. Nur der »petit manteau« der couturière hatte ihm eine kleine Schwierigkeit gemacht.
    Die letzte Zeile stand noch kaum auf dem Papier, als es klopfte und Frau Hulen eintrat. Sie brachte den Tee.
    »Setzen Sie sich, Frau Hulen, ich will Ihnen etwas vorlesen.«
    Die Alte blieb an der Tür stehen und sah verlegen auf ihren jungen Herrn. Jetzt erst merkte dieser, daß er, in dem Übermut plötzlicher guter Laune, einen gewagten Schritt getan habe, und die Reihe des Verlegenwerdens kam an ihn. Er getröstete sich jedoch, wie so viele vor und nach ihm, mit der alten Anekdote, daß auch Molière das Urteil seiner Haushälterin zu Rate gezogen habe, und sagte deshalb, während Frau Hulen das Teebrett niedersetzte, mit ziemlich wiedergewonnener Unbefangenheit: »Hören Sie nur zu; es ist nicht schlimm.
    Zu meiner Enk’lin Namenstag
    Ihr jeder etwas bringen mag:
    Der Bäcker bringt ein Kuchenbrot,
    Der Schneider einen Mantel rot,
    Der Kaufmann schickt ihr, weiß und nett,
    Ein Puppenkleid, ein Puppenbett,
    Und schickt auch eine Schachtel rund,
    Mit Schäfer und mit Schäferhund,
    Mit Hürd’ und Bäumchen, paarweis’ je,
    Und mit sechs Schafen, weiß wie Schnee;
    Und eine Lerche, tirili,
    Seit Sonnenaufgang hör’ ich sie,
    Die singt und schmettert, was sie mag,
    Zu meines Lieblings Namenstag.
    Nun, Frau Hulen«, schloß Lewin seine Vorlesung, »was meinen Sie dazu?«
    Die Alte zupfte an ihrem Haubenband und sagte dann: »Sehr hübsch.«
    »Das ist mir zu wenig.«
    »Ja, junger Herr, ich kann es doch nicht wunderschön finden!«
    »Warum nicht?«
    »Es geht alles so klipp und klapp wie ein Fibelvers.«
    »Das ist es ja eben; das soll es ja. Ganz richtig. Sie sind doch eine kluge Frau, Frau Hulen, und wenn ich wieder einen Fibelvers schreibe, so sollen Sie auch wieder die erste sein, die ihn zu hören kriegt.«
    Es schien nicht, daß die Mitteilung einer derartig bevorstehenden Auszeichnung von derjenigen, an die sie sich richtete, in ihrem ganzen Werte gewürdigt wurde; Frau Hulen suchte vielmehr, während sie sonst das Plaudern über die Maßen liebte, die Rückzugslinie zu gewinnen, und erst als sie die Türklinke schon in der Hand hatte, wandte sie sich noch einmal und sagte: »Ach, da war auch der junge Schnatermann hier…«
    »Von Lichtenberg?«
    »Ja, von

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