Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
hierin erkennen wirst – Bamme hat das Kommando der Brigade übernommen –, verfahren wir überall. An Offizieren ist noch Mangel, weil die Zahl derer, die nur mit Wind von oben segeln können, auch bei uns überwiegt. In zehn oder zwölf Tagen muß trotz alledem alles schlagfertig sein, auch da, wo man am meisten zurück ist.
    Dies ist in gewissem Sinne zu spät, um so mehr, als es für das, was ich in den Weihnachtstagen vorhatte, auch heute schon zu spät sein würde. Die gesamte französische Generalität, wie mir Othegraven aus Frankfurt und Krach, der in Küstrin war, von dorther schreibt, ist glücklich über die Oder. In Zobelpelzen und mit immer erneutem Vorspann, an dem es unsere Dienstbeflissenen nicht haben fehlen lassen, sind sie dem Kaiser, der ihnen das Beispiel gab, gefolgt. Der Nachteil, der uns daraus erwächst, ist unberechenbar; die Beseitigung der Generäle, so oder so (von diesem Satze geh’ ich nicht ab) war eben wichtiger, als es die Beseitigung der Armeereste je werden kann. Vieles ist versäumt, unwiederbringlich verloren. Unsere Politik des Abwartens ist daran schuld.
    Aber eben dieses Abwarten, das uns so vieles versäumen ließ, hat uns vor ebenso vielem bewahrt, und wenn nun schließlich zwischen guten und schlimmen Folgen abgewogen werden soll, so ist es möglich oder – ich zögere nicht, dies Zugeständnis zu machen – selbst sehr wahrscheinlich, daß sich die Waage nach der guten Seite hin neigt. Vor drei Wochen glaubte ich, daß es ohne den König geschehen müsse, jetzt weiß ich – und gesegnet sei dieser Wandel der Dinge –, daß es mit ihm geschehen wird. Wir werden einen Krieg haben nach alten preußischen Traditionen. Ich wäre vor einem Volkskriege nicht erschrocken, denn erst das Land und dann der Thron, aber wie unser märkisches Sprichwort sagt: Besser ist besser.
    Ja, Lewin, ein Wandel der Dinge, an den ich nicht mehr zu glauben wagte, er ist da, und die nächsten Tage schon werden ihn der Welt verkünden. Leicht möglich, daß, wenn Du diese Zeilen erhältst, der erste der beabsichtigten Schritte bereits geschehen ist.
    Und nun höre. Der Hof verläßt Potsdam und geht nach Breslau. Dieser Schritt ist wichtiger, als Du ermessen kannst. Was ihn veranlaßt hat, darüber gehen nur Gerüchte. Es heißt, daß Napoleon beabsichtigt habe, sich des Königs zu bemächtigen und ihn als Geisel, als Gewähr für die friedliche Haltung des Landes, auf eine französische Festung abführen zu lassen. Ich untersuche nicht, wieviel Wahres oder Falsches an diesem Gerüchte ist, es genügt, daß ihm der König Glauben geschenkt hat. Unmittelbar nach der Konfirmation des Kronprinzen, die heute stattfindet, wird der Aufbruch erfolgen. Es geht in fünf Etappen; das Regiment Garde wird diese Übersiedelung begleiten oder decken. Breslau, Schlesien sind gut gewählt; die Provinz ist die einzige, die keine französische Besatzung hat, und Österreich, auf das wir rechnen, ist nahe.
    Und nun höre weiter!
    Auf den 26. ist das Eintreffen des Königs in Breslau festgesetzt; eine Woche später wird er sein Volk zu den Waffen rufen. Der Entwurf zu diesem Aufruf ist in meinen Händen gewesen; er spricht die Sprache, die jetzt gesprochen werden muß, und es ist nur eins, was ihm fehlt: der Feind wird nicht genannt. Aber, Gott sei Dank, es bedarf dessen nicht mehr. Yorks zum Schein verworfene, aber wie ich jetzt mit Bestimmtheit weiß, in allen Stücken gebilligte Kapitulation, dazu der wahrscheinlich morgen schon stattfindende Aufbruch des Hofes, um sich den Launen eines unberechenbaren Bundesgenossen zu entziehen, alles das läßt keinen Zweifel darüber, wem es gilt.
    Und in die leere Luft verhallen wird dieser Aufruf nicht. Ich kenne unser Volk. Es ist wert, daß es besteht, und es wird sich für sein Bestehen einsetzen. Das ist alles, was es kann. Keiner hat mehr als sich selbst. Wir haben viele Fehler, aber auch viele Vorzüge; es trifft sich, daß wir den Gegensatz von schwarz und weiß nicht bloß in unseren Farben haben. Der Sinn fürs Ganze ist seit des Großen Königs Tagen in uns lebendig geworden, und sehen wir das Ganze hinschwinden, so schwindet uns auch die Lust an der eigenen Existenz. Denk’ an den alten Major, der am Tage nach Kunersdorf in unserer Hohen-Vietzer Kirche verblutete. Sein Blutfleck erzählt von ihm bis diesen Tag. Er dachte, daß Preußens letzte Stunde gekommen sei; »ich will sterben, Kinder«, rief er, als sie ihn niederlegten, und riß sich den Verband von

Weitere Kostenlose Bücher