Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
Tanja
Heitmann
Traum
splitter
Roman
Copyright©2011 by Tanja Heitmann
Copyright©2011 dieser Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Dieses Werk wurde vermittelt durch
die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, Garbsen
Redaktion: Kerstin von Dobschütz
Satz: Leingärtner, Nabburg
ePub-ISBN 978-3-641-06221-7
www.tanja-heitmann.de
www.heyne-verlag.de
Für meine Nadine
Meine Träume sind wirklicher als der Mond,
als die Dünen,
als alles, was um mich ist.
Antoine de Saint-Exupéry
Prolog
Ich öffne die Augen und sehe einen langen Flur, der sich in der Dunkelheit
verliert. Die Wände sind nackt und grau. Sosehr ich mich auch bemühe, ich kann keine Falle entdecken. Dieser Weg verspricht einen festen Grund, und trotzdem zögere ich. Schon zu oft habe ich erlebt, dass sich ein scheinbar harmloser Traum innerhalb eines Herzschlags in einen Albtraum verwandelt.
Wie zum Beweis erklingt irgendwo hinter mir ein Schrei. Gequält und ohne einen Funken Hoffnung.
Schmerzen – damit komme ich klar. Schmerzen kann man aushalten, manchmal sogar
überwinden. Sie kommen und gehen. Aber Hoffnungslosigkeit? Ich muss voran, mir bleibt gar nichts anderes übrig. Ich habe alles abgesucht, es bleibt nur dieser Gang. Noch immer stehe ich da und starre in die Dunkelheit, als wartete ich darauf, dass sie von einem fliegenden Splitter zerrissen wird, der geradewegs auf mich zuhält, meine Stirn als Ziel.
Abwarten ist keine Lösung, halte ich mir vor Augen. Und weglaufen kannst du nicht mehr.
Es ist zu spät, du musst diesen Weg beschreiten.
Eigentlich sollte mein Herz wie wild schlagen, bis in meine Ohren hinein sollte sein aufgebrachtes Pochen dröhnen. Dennoch höre ich nichts, sobald der schreckliche Schrei verstummt ist. Nicht einmal meinen Atem.
Von einer Sekunde zur nächsten setze ich meinen ersten Schritt. Fester Grund tut sich unter meiner nackten Sohle auf, während Hoffnung in mir aufsteigt. Ja, ich habe noch Hoffnung. Es muss eine Lösung geben. Es gibt immer eine Lösung!
Auch mein nächster Schritt findet festen Boden. Fast bin ich versucht, eine Hand auszustrecken und die gräulichen Seitenwände zu berühren. Aber jetzt ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um übermütig zu werden. Trotzdem … ich kann nicht widerstehen, drehe mich, um die Wand wenigstens flüchtig zu streifen, erfüllt vonder Sehnsucht nach Halt in dieser Welt des Wandels und der Brüche.
Mein Fehler, nicht der erste in diesem Spiel.
Die Wand ist nicht grau, und sie ist auch keine Wand.
Sie ist ein Spiegel.
Der ganze Gang ist ein einziges Spiegellabyrinth, und was es mir zeigt, lässt mich schreien. So sehr, dass etwas in mir zerreißt. Das Echo meines Schreis wirbelt herum, kehrt zu mir zurück. Es ist voller Hoffnungslosigkeit.
Unter mir tut sich der Abgrund auf und verschlingt mich.
Kapitel 1
Angekommen
Ella kaute auf ihrer Unterlippe herum, während sie dabei zusah, wie sich das
Gleis nach und nach leerte. Nicht nur das Gleis, sondern der gesamte Bahnhof.
Menschenleer.
Zumindest kam es ihr so vor.
Gut, der Schaffner hatte sich wohl eher mit einem Kaffee in sein Büro verzogen, und
sicherlich gab es irgendwo in der Bahnhofshalle einen Kiosk, in dem sich eine Verkäuferin die Beine in den Bauch stand. Das änderte jedoch nichts daran, dass Ella sich einsam fühlte.
In der Hoffnung, wenigstens einen anderen Reisenden zu entdecken, spähte sie auf die übrigen Gleise des Kopfbahnhofs, aber auch dort herrschte gähnende Leere. Eine
Sackgasse, dachte sie geknickt.
Dabei sollte das heute der Start in ihr neues Leben werden.
Ihre Ankunft an diesem sonnigen Vormittag hatte sie sich wie einen Auftritt vorgestellt: ein verheißungsvolles Kribbeln im Bauch, während der Zug sich der Hafenstadt näherte, ein immer breiter werdendes Lächeln auf ihrem Gesicht, wenn der Zugführer die magischen
Worte aussprach: »In fünf Minuten erreichen wir Sandfern.« Und dann der Moment, in dem sie aus der Zugtür direkt in die Arme ihres Bruders Sören sprang, der vor lauter Freude die Luftballontraube losließ, die er zur Begrüßung mitgebracht hatte. Im Hintergrund winkten ihr kleiner Neffe Konstantin und ihre Schwägerin Liv. Gut, Liv würde, wenn überhaupt, nur gequält lächeln, so wie sie es stets tat, wenn jemand anders als sie im Mittelpunkt stand. Das würde Ella allerdings vollkommen egal sein, weil sie so glücklich darüber war, endlich angekommen zu sein: in dieser Stadt,
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