Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Bestätigung bedürfen. Es freut mich indessen, Ihren Herrn Vater so gut unterrichtet zu sehen. Ich bitte, mich ihm bei nächster Gelegenheit in Erinnerung bringen zu wollen. Seine Schwiegermutter, die Generalin von Dumoulin, war eine Jugendfreundin von mir.«
Lewin, der nicht wußte, was er aus diesen Worten machen sollte, in denen sich neben aller Überhebung doch auch wieder ein leiser Anflug von Teilnahme aussprach, hielt es für das geratenste, alles Unliebsame darin zu überhören, und verbeugte sich artig gegen die alte Gräfin, während diese mit Wichtigkeit fortfuhr: »Augereau hat strikten Befehl, sich in bestimmt vorgezeichneten Fällen, namentlich im Fall eines Aufstandes, der Person des Königs zu bemächtigen, und Seine Majestät, die seit länger als drei Wochen von diesem strikten Befehle weiß, würde sich der drohenden Gefahr schon früher entzogen haben, wenn nicht der Wunsch vorgeherrscht hätte, die bevorstehende Konfirmation des Kronprinzen, die nun gestern, wie wir alle wissen, wirklich stattgefunden hat, abzuwarten. Übrigens haben Seine Königliche Hoheit, was Ihnen, lieber Geheimrat, trotz Ihrer Anwesenheit bei der Feier entgangen sein dürfte, zur Erinnerung an diesen hochwichtigen Tag, aus den Händen Seiner Majestät einen kostbaren Ring erhalten.«
»Sans doute«, bemerkte Bninski.
»Sans doute?« wiederholte fragend und gedehnt die alte Oberhofmeisterin, der der spöttische Ton in der hingeworfenen Bemerkung des Grafen nicht entgangen war. »Warum sans doute, Graf Bninski?«
»Weil der Ring«, erwiderte dieser, »das Zeichen ewiger und unverbrüchlicher Treue ist und eine Feier in diesem Lande, am wenigsten eine kirchliche, ohne dieses Zeichen nicht wohl gedacht werden kann.«
Der Geheimrat rückte verlegen hin und her. Es war ihm im höchsten Maße peinlich, in seinem Hause, noch dazu in Gegenwart zweier Damen vom Hofe, Worte fallen zu hören, deren ironische Bedeutung trotz des Ernstes, mit dem sie vorgetragen wurden, niemandem entgehen konnte. Er sah deshalb zu dem Grafen hinüber, ersichtlich bemüht, diesen, wenn nicht zu einem Wechsel des Gesprächs, so doch wenigstens zu einem Wechsel des Tones zu veranlassen. Bninski aber ignorierte diese Bemühungen und fuhr in demselben Tone fort: »Es zählt dies zu den Eigentümlichkeiten deutscher Nation. Immer ein feierliches In-Eid-und-Pflicht-Nehmen, dazu dann ein entsprechendes Symbol, und ich darf sagen, ich würde überrascht sein, wenn dem kostbaren Ringe, den Seine Königliche Hoheit aus den Händen des Königs, seines Vaters, empfangen hat, nicht noch eine direkte Aufforderung zum Treuehalten, entweder in Form einer eingravierten Devise oder eines Bibelspruchs, beigegeben sein sollte. Etwa: ›Sei getreu bis in den Tod‹, oder dem ähnliches.«
Die alte Gräfin preßte die Lippen zusammen. Es war ersichtlich, daß sie schwankte, in welcher Art sie replizieren solle; aber sich rasch für eine versöhnliche Haltung entscheidend, sagte sie mit erzwungener guter Laune: »Ich sehe, Graf, daß Sie von dem Ringe wissen. Wenn durch Inspiration, so beglückwünsche ich Sie und uns. Der innere Rand trägt allerdings die Umschrift: ›Offenbarung Johannis 2. V. 10‹. In diesem Punkte haben Sie recht behalten; aber nicht darin, daß dieser Konfirmationsring eine Hof- oder Landessitte sei. Im Gegenteil; es ist der erste Fall der Art.«
»So wird es Sitte werden. Gute Beispiele pflegen einen fruchtbaren Boden in dem loyalen Sinn des Volkes zu finden.«
Sehr wahrscheinlich, daß die fortgesetzten Sarkasmen Bninskis doch schließlich alle friedlichen Entschlüsse der Oberhofmeisterin, die fast ebenso heftig wie hochfahrend war, in ihr Gegenteil verkehrt hätten, wenn nicht in diesem Augenblicke Kathinka ihr bis dahin mit der schönen Matuschka geführtes Gespräch abgebrochen und zwei Taburetts, für sich und ihren Plauderpartner, in den Halbkreis, zwischen Lewin und Bninski, hineingeschoben hätte.
»Welche Blasphemien, Graf!« wandte sich Kathinka an diesen. »Sollte man doch meinen, wenn man den Ton Ihrer Worte vor Gericht stellen könnte, daß Sie geneigt seien, den Ring für ein überflüssiges Ding in der Weltgeschichte zu halten. Aber darin irren Sie. Nichts ohne Ring. Nicht wahr, Herr von Jürgaß?«
»Sans doute«, sagte dieser, der, ohne Furcht dadurch anzustoßen, das fast zum Zankapfel gewordene Wort wiederholen durfte. »Ich stimme Fräulein Kathinka bei: nichts ohne Ring! Um ihn dreht sich alles in Leben, Sage,
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