Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
langsam die sechs Schläge, deren letzter in einem Signalschuß verklingt. Weithin an den hohen Ufern des Schwielow weckt er das Echo. Im selben Augenblick folgt Stille der allgemeinen Bewegung, und nur noch das Schaufeln des Raddampfers wird vernommen, der, eine Kurve beschreibend, das lange Schlepptau dem Havelkahne zuwirft und, rasch flußaufwärts seinen Cours nehmend, das eigentliche Frachtboot vom Ufer löst, um es geräuschlos in das eigene Fahrwasser hineinzuzwingen.
Von der Brücke aus gibt dies ein reizendes Bild. Auf dem großen Havelkahn, wie die wilden Männer im Wappen, stehen zwei Bootsleute mit ihren mächtigen Rudern im Arm, während auf dem Dampfer in langer Reihe die »Werderschen« sitzen, ein Nähzeug oder Strickzeug in den Händen und nichts vor sich als den Schornstein und seinen Eisenkasten, auf dessen heißer Platte einige dreißig Bunzlauer Kaffeekannen stehen. Denn die Nächte sind kühl, und der Weg ist weit.
Eine Viertelstunde noch, und Dampfer und Havelkahn verschwinden in dem Défilé bei Baumgartenbrück; der Schwielow nimmt sie auf, und durch das »Gemünde« hin, an dem schönen und langgestreckten Caputh vorbei, geht die Fahrt auf Potsdam zu, an den Schwänen vorüber, die schon die Köpfe eingezogen hatten und nun unmutig hinblicken auf den Schnaufer, der ihren Wasserschlaf gestört.
Bei Dunkelwerden Potsdam, um Mitternacht Spandau, bei Dämmerung Berlin.
Und eh der erste Sonnenschein um den Marienkirchturm blitzt, lachen in langer Reihe, zwischen den Brücken hin, die roten Knupper der Werderschen.
Glindow
Hier nährten früh und spat den Brand
Die Knechte mit geschäft’ger Hand;
Der Funke sprüht, die Bälge blasen,
Als gält es, Felsen zu verglasen.
Schiller
Was Werder für den Obst konsum der Hauptstadt ist, das ist Glindow für den Ziegel konsum. In Werder wird gegraben, gepflanzt, gepflückt – in Glindow wird gegraben, geformt gebrannt; an dem einen Ort eine wachsende Kultur, am andern eine wachsende Industrie, an beiden (in Glindow freilich auch mit dem Revers der Medaille) ein wachsender Wohlstand. Dazu steht das eine wie das andere nicht bloß für sich selber da, sondern ist seinerseits wiederum eine »Metropole«, ein Mittelpunkt gleichgearteter und zugleich widerstrebender Distrikte , die es fast geboten erscheinen lassen, nach Analogie einiger Schweizer Kantone, von Werder-Stadt und Werder-Land oder von Glindow-Dorf und Glindow-Bezirk zu sprechen.
Bei Werder haben wir diesen Unterschied übergangen; bei Glindow wird es dann und wann unvermeidlich sein, auf ihn Bezug zu nehmen. Deshalb an dieser Stelle schon folgendes: Distrikt Glindow ist etwa zwei Quadratmeilen groß (vier Meilen lang und eine halbe Meile breit) und zerfällt in ein Innen- und Außenrevier, in einen Bezirk diesseit und jenseit der Havel. Das Innenrevier »diesseit der Havel« ist alles Lehm- und Tonland und umfaßt die gesamten Territorien am Schwielow-, am Glindow- und Plessow-See; das Außenrevier oder das Revier »jenseit der Havel« ist neuentdecktes Land und dehnt sich vorzugsweise auf der Strecke zwischen Ketzin und Tremmen aus. Dies Außenland, abweichend und eigenartig, behauptet zugleich eine gewisse Selbständigkeit und zeigt eine unverkennbare Tendenz, sich loszureißen und Ketzin zu einer eigenen Hauptstadt zu machen. Vielleicht, daß es glückt. Vorläufig aber ist die Einheit noch da, und ob der Tag siegreicher Sezession näher oder ferner sein möge, noch ist Glindow Metropole und herrscht über Innen- und Außenrevier.
Die Bodenbeschaffenheit, das Auftreten des Lehms ist diesseit und jenseit der Havel grundverschieden. Im Innenrevier tritt der Lehm in Bergen auf, als Berglehm, und wenn wir uns speziell auf die wichtige Feldmark Glindow beschränken, so unterscheiden wir hier folgende Lehmberge: den cöllnischen, zwei brandenburgische (Altstadt, Neustadt), den caputhschen, den schönebeckschen, den Invalidenberg, den Schloßbauberg, zwei Kurfürstenberge (den großen und den kleinen), den plaueschen, den mösenschen, den potsdamschen. Die drei letztgenannten liegen wüst, sind tot. Die andern sind noch in Betrieb. Ihre Namen deuten auf ihre früheren Besitzer. Berlin-Cölln, Brandenburg, Potsdam, Caputh, Schönebeck hatten ihre Lehmberge, der Invalidenberg gehörte dem Invalidenhause etc. Diese Besitzverhältnisse existieren nicht mehr. Jene Ortschaften haben sich längst ihres Eigentums entäußert, das inzwischen in die Hände einiger Ziegellords übergegangen
Weitere Kostenlose Bücher