Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Traube schließt die Saison. Man kann von einer Sommer- und Herbstcampagne sprechen. Der Höhenpunkt jener fällt in die Mitte Juli, der Höhenpunkt dieser in die Mitte September. Die Knupperkirsche einerseits, die blaue Pflaume andererseits – sie sind es, die über die Saison entscheiden.
Der Versand ist enorm. Er beginnt mit 1000 Tienen, steigt in rapider Schnelligkeit auf 3000, auf 5000, hält sich, sinkt steigt wieder und tritt mit 1000 Tienen, ganz wie er begonnen, schließlich vom Schauplatz ab. Als Durchschnittsminimum wird man 3000, als Maximum 4000 Tienen täglich, die Tiene zu drei Metzen, annehmen dürfen. Der Preis einer Tiene ist 15 Silbergroschen. Dies würde, bei Zugrundelegung des Minimalsatzes, in 4 Monaten oder 120 Tagen einen Gesamtabsatz von 120 mal 3000, also von 360 000 Tienen ergeben. Dies ist aber zu niedrig gerechnet, da 360 000 Tienen, die Tiene zu 15 Silbergroschen, nur einer Gesamteinnahme von 180 000 Talern entsprechen würden, während diese auf 280 000 Taler angegeben wird. Gleichviel indes; dem Berliner wird unter allen Umständen der Ruhm verbleiben, als Minimalsatz alljährlich eine Million Metzen werdersches Obst zu konsumieren. Solche Zahlen sind schmeichelhaft und richten auf.
Sie richten auf – in erster Reihe natürlich die Werderschen selbst, die die entsprechende Summe einzuheimsen haben, und in der Tat, auf dem Werder und seinen Dependenzien ist ein solider Durchschnittswohlstand zu Hause. Aber man würde doch sehr irregehn, wenn man hier, in modernem Sinne, großes Vermögen, aufgespeicherte Schätze suchen wollte. Wer persönlich anfaßt und fleißig arbeitet, wird selten reich; reich wird der, der mit der Arbeit hundert anderer Handel treibt, sie als kluger Rechner sich zunutze macht. An solche Modernität ist hier nicht zu denken. Dazu kommen die bedeutenden Kosten, Lohnzahlungen und Ausfälle. Eine Tiene Obst, wir gaben es schon an, bringt im Durchschnitt fünfzehn Silbergroschen; davon kommen sofort in Wegfall: anderthalb Silbergroschen für Pflückerlohn und ebenfalls anderthalb Silbergroschen für Transport. Aber die eigentlichen Auslagen liegen schon weit vorher. Die Führung großer Landwirtschaften ist aus den mannigfachsten Gründen, aus Mangel an Wiesen und vielleicht nicht minder aus Mangel an Zeit und Kräften, auf dem Werder so gut wie unmöglich; so fehlt es denn an Dung, und diese Unerläßlichkeit muß aus der Nachbarschaft, meist aus Potsdam, mühsam herbeigeschafft werden. Eine Fuhre Dung kostet sieben Taler. Dies allein bedingt die stärksten Abzüge. Was aber vor allem einen eigentlichen Reichtum nicht aufkommen läßt, das sind die Ausfalljahre, wo die Anstrengungen, um noch größerem Unheile vorzubeugen, verdoppelt werden müssen und wo dennoch mit einem Defizit abgeschlossen wird. Die Überschüsse früherer Jahre müssen dann aushelfen. Derartige Ausfalljahre sind solche, wo entweder starke Fröste die großen Obstplantagen zerstören oder wo im Frühjahr die Schwaben und Blatthöhler das junge Laub töten, die Ernte reduzieren und oft die Bäume dazu. So gibt es denn unter den Werderschen eine Anzahl wohlhabender Leute, aber wenig reiche. Es ist auch hier dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
»Die Werdersche«
Ein Intermezzo
All Großes, wie bekannt, wirft seinen Schatten;
Und ehe dich, o Bayrische, wir hatten,
Erschien, ankündigend, in braunem Schaum
Die Werdersche. Ihr Leben war ein Traum.
Unter einem Geplauder, das im wesentlichen uns die Notizen an die Hand gab, die wir vorstehend wiedererzählt, waren wir bis an eine Stelle gekommen, wo die große Straße nach links hin abbiegt und in ihrer Verlängerung auf die Brücke und demnächst auf die Insel führt. Genau an dem Kniepunkt erhob sich ein ausgedehntes Etablissement mit Betriebsgebäuden, hohen Schornsteinen und Kellerräumen, und der eben herüberwehende Malzduft ließ keinen Zweifel darüber, daß wir vor einer der großen Brauereien ständen, die der Stadt Werder auch nach dieser Seite hin eine Bedeutung gegeben haben. Es sind eben zwei Größen, die wir an dieser Stelle zu verzeichnen haben: in erster Reihe die »Werderschen«, in zweiter Reihe »die Werdersche«. Eine, Welt von Unterschied legt sich in diesen einen Buchstaben n. Wie Wasser und Feuer im Schoße der Erde friedlich nebeneinander wohnen, solange ihr Wohnen eben ein Neben einander ist, aber in Erdbeben und Explosionen unerbittlich sich Luft machen, sobald
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