Mit Haut und Haar (German Edition)
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Es war ein ganz normaler Bewirtungsbeleg, den Clarissa soeben in der Jackentasche ihres Mannes gefunden und zunächst achtlos auf seinen Nachttisch gelegt hatte. Zusammen mit den ganzen Münzen, den alten Kinokarten, Feuerzeugen und was sie eben sonst noch in den Anzügen ihres Mannes gefunden hatte, die sie in die Reinigung bringen wollte. Ein ganz gewöhnlicher Bewirtungsbeleg, der wahrscheinlich schon uralt war, viel zu alt um ihn noch bei der Steuer einreichen zu können. Und doch schauderte sie plötzlich und starrte aus guten zwei Metern Entfernung auf die Ansammlung von Dingen und Zetteln, die auf Daniels Nachtschrank gelandet waren. Es war ein Gefühl, mehr nicht. Aber es saß tief in ihrem Magen. Zögerlich griff sie nach dem Beleg. Er war gerade mal zwei Wochen alt, stellte sie fest und das flaue Gefühl in ihrem Magen ging ihr durch und durch. Ein Restaurantbeleg aus Hannover und dort hielt Daniel sich geschäftlich recht häufig auf.
Mit dem Beleg in der Hand setzte sich Clarissa auf die Bettkante und fühlte sich plötzlich total erschöpft.
Zwei Piña Coladas. Er trank Piña Colada? Normalerweise mochte Daniel »das süße Zeug« nicht. Zwei asiatische Vorspeisen. Zwei Hauptgerichte. Zwei Desserts. Zwei Tassen Kaffee. Zwei Wasser. Es musste ein langer Abend gewesen sein. Eine Rechnung über knapp neunzig Euro.
Beruhige dich, Clarissa. Er war dort geschäftlich. Es war sicher ein Treffen mit seinem Geschäftspartner. Und er hat die Rechnung übernommen. Sie haben ihre Besprechungen vielleicht lieber beim Asiaten weiter geführt, statt in dumpfer Büroatmosphäre.
Clarissa zwang sich zur Ruhe und packte mechanisch die Sachen in die große Tüte, die in die Reinigung sollte. Ebenso mechanisch erledigte sie an diesem Tag ihre Hausarbeit und ihren Einkauf, brachte schließlich noch die Sachen in die Reinigung und begann mit der Zubereitung des Abendessens. Sie fühlte sich nicht gut, seit sie diese Bewirtungsquittung gefunden hatte, aber sie hätte nicht einmal erklären können warum ihr dieser Beleg so zu schaffen machte. Es war völlig normal, dass Daniel ausgedehnte Geschäftsessen mit Geschäftspartnern hatte, es war auch sehr häufig der Fall dass er die Rechnung übernahm, nämlich immer dann, wenn er etwas von den Geschäftspartnern wollte und nicht umgekehrt. Trotzdem fühlte sie sich nicht gut. Ihr Instinkt sagte ihr, dass etwas nicht stimmte. Etwas war nicht wie es sonst war. Etwas fühlte sich merkwürdig an. Ein unangenehmes Gefühl, das tief in ihrem Bauch seine Wurzeln zu haben schien und für das sie selbst keine Erklärung fand.
Damian und Charlotte, ihre beiden halbwüchsigen Kinder, waren über Mittag wie so oft nur kurz nach Hause gekommen. Sie hatten sich etwas vom Essen des Vortags aufwärmen lassen und waren seit fünfzehn Uhr schon wieder mit Freunden unterwegs. Normalerweise versuchte Clarissa immer, die Kinder ein wenig länger im Haus zu halten, sie mochte es nicht, wenn sie so viel unterwegs waren. An diesem Tag jedoch war es ihr recht ein wenig alleine zu sein. Sie zwang sich zur Ruhe, doch mit jeder Stunde die verging schrillten die Alarmglocken in ihrem Inneren lauter. Als Daniel gegen sieben nach Hause kam, erwartete sie ihn wie jeden Abend mit einem schön gedeckten Tisch und einem Essen, das sie sofort servierte. Er lächelte charmant, küsste sie zur Begrüßung und setzte sich an den Tisch.
»Wo sind die Kinder?« fragte er.
»Unterwegs«, antwortete sie.
Daniel runzelte die Stirn. »Normalerweise essen wir gemeinsam, oder?«
»Meine Güte, sie hatten heute was vor. Sie können ja essen, wenn sie nach Hause kommen.«
Über Daniels Stirn zog sich eine Sorgenfalte. Das kannte er von Clarissa nicht. Essen mit der Familie war für Clarissa ein heiliges Ritual. Auf diese Gemeinsamkeit legte sie allergrößten Wert, denn eigentlich war die gemeinsame Mahlzeit am Abend die einzige Zeit, in der die Familie zusammen an einem Tisch saß. Sonst ging jeder seiner Wege. Auch kannte er sie nicht so übellaunig.
»Stimmt was nicht, Liebling?« fragte Daniel. Er trank einen Schluck Wein und sah sie ernst an. Sie konnte ihm einfach nichts vormachen, dafür waren sie zu lange verheiratet.
»Ach«, antwortete sie. »Ich habe nur ein wenig Kopfschmerzen. Ich denke, das Wetter wird sich ändern, du weißt doch dass ich das immer spüre.«
Er nickte. »Ja, ich habe heute auch schon den ganzen Tag so einen komischen Druck auf dem Kopf.«
Daniel war ebenso wetterfühlig wie
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