Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
zu den Alleroriginellsten gehört, als Zinzendorf den Zweiten vorstelle. Es tut jeder gut, sich auf seine eigenen Beine zu stellen, diese Beine mögen sein, wie sie wollen. Wir haben die unsrigen, Zinzendorf hatte die seinigen. Wenn ich sage die ›unsrigen‹, so muß ich um Entschuldigung bitten, weil ich mir wohlbewußt bin, meine berechtigten Eitelkeiten nicht gerade nach dieser Seite hin suchen zu dürfen. Im übrigen bleibt es dabei: ›Das Traurigste sind die Dubletten.‹ Woran ist Prinz Heinrich gescheitert? Die Gräfin drüben ist tot, und so läßt sich ohne Furcht vor einzubüßender Freundschaft allenfalls eine Antwort auf diese Frage geben. Er ist gescheitert einfach an der Tatsache, daß er doch schließlich nichts anderes als ›beinah sein Bruder‹ war. Da lob’ ich mir den alten Ferdinand, den Sie neulich, Vitzewitz, in seinem Johanniterpalais besucht haben. Der war nie etwas, Gott weiß es, aber er war doch wenigstens er selbst. Nein, meine Werteste, lassen wir unseren Hohen-Ziesarschen Grafen, wie er ist. Das wird das Beste sein für ihn und für uns. Er hat eben nur einen Fehler!«
»Und der wäre?« fragte Berndt.
»Er wird das Pregelwasser nicht los, oder, was dasselbe sagen will, er steckt zu tief in seinen ostpreußischen Vorurteilen. Achten Sie darauf, wenn er über politische Dinge spricht, speziell in diesen unseren Tagen, wo sie, nach seiner ehrlichsten Überzeugung, dort oben wieder beflissen sind, die Weltgeschichte zu machen und Freiheit und Ordnung in Balance zu bringen. Ich kenn’ ihn. In Ostpreußen ist die Mannhaftigkeit und in Königsberg ist die Weisheit zu Hause. Daran ist nicht zu rütteln, das ist Paragraph eins. Alles, was sich in den anderen Provinzen findet, wird an dieser Elle gemessen. Auch wir Märker passieren nur so obenhin. Er läßt uns gelten, aber bloß als Rohmaterial. Wir werden abgerichtet für den Dienst, für Armee und Verwaltung, aber aus uns selber sind wir nichts und bedeuten wir nichts. Wir sind unfrei, Werkzeuge, Hofsklaven, Hohenzollernsche Leibtrabanten.«
Berndt lächelte.
»Ja, General«, sagte er, während er mit den Fingern der linken Hand leise auf dem Tischtuch trommelte, »bei Lichte besehen, ist es nicht so?«
»Nein, Vitzewitz, nein. Natürlich, es gibt Ausnahmen, ein paar oder meinetwegen auch viele. Aber das reizt mich eben, daß man über die Pehlemanns, die Medewitz’ und Rutzes, die nichts haben als Spieluhren, Gicht und Dummheit, daß man über diese die Vitzewitze und die Bammes vergißt. Hofadel! Bah! Der Jagdjunker von Otterstädt, der den abgeleierten Spruch von ›Jochimken, Jochimken, höde di’‹ an seines gnädigen Herrn Kammertüre schrieb, war auch bei Hofe. Leibtrabanten! Unsinn! Frondeurs sind wir, alle oder doch die Besten von uns, und Ab- und Einsetzen, das wäre so unsere Passion, wenigstens die meine. Wann waren die Bammes bei Hofe? Nie. Und die Vitzewitze nicht oft. Wir haben anno 95 nicht gefragt, und jetzt fragen wir wieder nicht. Man geht zusammen, solang es paßt. Manus manum lavat. Wenn mir wohl wird, wird mir immer lateinisch. Legitimität, Loyalität! Bah! Alles ist Akkord und Pakt und gegenseitiger Vorteil.«
»Und Eid «, sagte die Schorlemmer.
Bamme zuckte die Achseln.
»Meine Gute«, fuhr er geringschätzig fort (denn er wußte, daß ihn die Schorlemmer nicht leiden konnte), »wenn es mit den Eiden ginge, so würden die Zinzendorfe die Welt regieren. Ich bezweifle, daß wir dabei gewönnen. Denken Sie sich eine tugendhafte Weltgeschichte. Wenigstens ich für mein Teil möchte sie nicht lesen. Es ist mit den Eiden wie mit den Gesetzen, sie sind nur dazu da, um gebrochen zu werden. Wenigstens die politischen; die Liebeseide nehm’ ich natürlich aus.«
Und dabei wandte er sich zu der neben ihm sitzenden Renate und küßte ihr die Hand.
»Ich weiß, daß Sie scherzen«, sagte diese.
»Ach, meine Gnädigste«, fuhr Bamme fort, der auf seine Art eine Schwärmerei für Renaten hatte, »ich scherze nicht, ich verfalle nur in meinen alten Fehler, mir die Ohren nicht genau zu berechnen, vor denen ich spreche. Das alles waren Sätze für die Gräfin-Tante, nicht für die schöne Nichte. Ich war in diesem Augenblicke in Guse, nicht in Hohen-Vietz. Pardon!«
Schon während diese letzten Worte gesprochen wurden, war von der Dorfgasse her ein rasch sich steigerndes Schellengeläute hörbar geworden, und gleich darauf hielt ein Schlitten vor den Flachstufen des Hauses.
»Nach der Regel müßte das
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