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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Drosselstein sein«, sagte Bamme und erhob sich halb von seinem Stuhl, um schärfer nach dem Vorplatz hinaussehen zu können. Es war aber nicht Drosselstein, vielmehr traten, zu nicht geringem Staunen Lewins, Hirschfeldt, Grell und Tubal ein und wickelten sich, während letzterer erst zu Vorstellung seiner beiden Reisegefährten, dann zu Entschuldigungen über ihr allseitig unangemeldetes Erscheinen schritt, aus ihren Schals und Mänteln heraus.
    Berndt, gastlich und zerstreuungsbedürftig, gab seiner Freude über den unerwarteten Besuch – eine Freude, die, wie sich leicht denken läßt, von dem »immer frisches Blut« verlangenden Bamme geteilt wurde – den lebhaftesten Ausdruck; nichtsdestoweniger blieb eine kleine Verlegenheit, die sich bei Lewin und Renaten und mehr noch bei Tubal hinter einem beständigen Hin- und Herfragen, ohne daß die Antwort abgewartet worden wäre, zu verstecken suchte. Ja selbst die Schorlemmer ließ ihre sonstige Ruhe vermissen.
    Inzwischen waren Stühle gerückt worden, und da bei dem ersten Besetzen der Tafel außer dem Seidentopfschen Platz auch noch die Schmalseiten oben und unten freigeblieben waren, so wurde das Tischarrangement keinen Augenblick ernstlich gestört. Es war die Rede davon, einige der Gänge rasch noch einmal wieder erscheinen zu lassen, alle Neuangekommenen aber lehnten auf das bestimmteste ab und erklärten nicht nur, unterwegs eine sehr substantielle Mahlzeit eingenommen, sondern auch, wie der Augenschein zeige, für ihre Ankunft in Hohen-Vietz den denkbar glücklichsten Moment, den des Desserts, getroffen zu haben. Dem stimmte Bamme, der gerade Schwarzbrot und Biskuitschnitten mit frischer Butter zusammenmörtelte, emphatisch bei und verschwor sich einmal über das andere, daß die Feinschmecker aller Zeiten, von Lukull bis auf Friedrich den Großen, das eigentliche Diner immer nur als den Sockel der drei großen Dessertgottheiten Bacchus, Momus und Pomona angesehen hätten.
    So phantasierte der Alte weiter, dessen guter Laune es denn auch vorzugsweise zuzuschreiben war, daß das befangene Hin- und Herfragen der ersten Minuten einer ungezwungeneren Unterhaltung Platz zu machen begann. Jeder beteiligte sich schließlich daran, insbesondere Tubal, aus dessen Mitteilungen unter anderem auch ihr eigentliches Reiseziel erkennbar wurde. Sie befänden sich, so versicherte er, auf dem Wege nach Breslau, wo sie dem durch Jürgaß und Bummcke gegebenen Beispiele zu folgen und in die daselbst sich bildende Freiwilligenarmee einzutreten gedächten. Der Aufruf, von dem alle Welt spräche, sei zwar noch nicht da, niemand bezweifele aber, daß er kommen werde (»Jede Stunde«, warf Berndt dazwischen), und ein gestern von Jürgaß eingetroffener Brief gäbe bereits ein Bild des neuerwachten Lebens. So sei neben anderem auch ein schlesischer Landsturm in Bildung begriffen. Alle Männer von achtzehn bis sechzig Jahren, soweit sie noch nicht Waffen trügen, sollten herangezogen werden. Zweck dieses Landsturms sei, den Feind, wo er sich in schwachen Detachements zeige, zu überfallen, Generale wegzufangen (Bamme schlug mit der flachen Hand auf den Tisch) und mit Fourageurs und Marodeurs kurzen Prozeß zu machen. Scharnhorst leite das Ganze; Blücher sei angekommen. Was aber am schwersten wiege, der König selbst, der bis dahin an einem kräftig-patriotischen Aufschwung gezweifelt habe, sei jetzt selber von Zuversicht getragen. Und in diesem neuen Glauben werd’ er sich befestigen, denn der Geist sei überall derselbe. Von allen Seiten strömten Gaben herbei: Geld, Waffen, Equipierung; jeder gäbe, was er habe, und wer nichts habe, der gäbe sich eben selbst. Alles dies sei dem Jürgaßschen Schreiben entnommen. Er seinerseits aber glaube noch hinzufügen zu sollen, daß in den nächsten Tagen schon neuntausend Freiwillige von Berlin nach Breslau abgehen würden.
    Diese Mitteilungen, mit Jubel aufgenommen, schlugen den letzten Rest von Verlegenheit, wenn ein solcher überhaupt noch da war, in die Flucht, namentlich bei Berndt, der ohnehin von Anfang an den Vorfall im Ladalinskischen Hause nicht gerade von der allertragischsten Seite genommen hatte. Was war es denn schließlich? Mehr dem Eigensinn als der Ehre des alten Geheimrats war eine Niederlage bereitet worden. Bninski war Graf und reich, und Lewin – war jung. Der Ungar, dem nicht nur Bamme, sondern die ganze Tafelrunde mehr und mehr zuzusprechen begann, begann auch in gleichem Maße die gute Stimmung zu steigern, und

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