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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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    PROLOG
    CALAIS, 1347
    D ie Straße kam von den Hügeln im Süden und durchquerte die Marschen, die bis ans Meer reichten. Es war eine schlechte Straße. Der regenreiche Sommer hatte sie in zähen Schlamm verwandelt, dessen Furchen zu hartem Ton erstarrten, wenn die Sonne herauskam. Aber es war die einzige Straße, die vom höher gelegenen Sangatte zu den Häfen von Calais und Gravelines führte. Bei Nieulay, einem gänzlich unbedeutenden Weiler, kreuzte sie mittels einer Steinbrücke den Ham, einen trägen Flusslauf, der sich durch das fieberverseuchte Marschland schlängelte und im Watt verlor. Er war so kurz, dass man in kaum mehr als einer Stunde von seiner Quelle bis zum Meer waten konnte, und so flach, dass man ihn bei Ebbe durchqueren konnte, ohne einen nassen Leib zu bekommen. Er bewässerte die dicht mit Schilfrohr bewachsenen Sümpfe, in denen Reiher nach Fröschen schnappten, und wurde von einem Gewirr kleiner Bäche gespeist, in denen die Bewohner von Nieulay und Hammes und Guîmes ihre Aalreusen auslegten.
    Nieulay und seine Steinbrücke hätten vermutlich auf ewig im Dunkel der Geschichte vor sich hin geschlummert, hätte nicht im Sommer 1347 eine Armee von dreißigtausend Engländern das nur zwei Meilen entfernte Calais unter Belagerung genommen und ihr Lager zwischen den gewaltigen Mauern der Stadt und den Marschen aufgeschlagen. Die Straße, die von den Hügeln kam und bei Nieulay den Ham kreuzte, war die einzige, über die ein französischer Verstärkungstrupp anrücken konnte, und im Hochsommer, als die Einwohner von Calais kurz vor dem Verhungern waren, führte Philippe de Valois, König von Frankreich, seine Armee nach Sangatte.
    Zwanzigtausend Franzosen hatten auf der Anhöhe Stellung bezogen, und ein dichter Wald von Bannern flatterte im Seewind, darunter auch die Oriflamme, die heilige Kriegsfahne von Frankreich. Sie war lang und dreispitzig, ein blutrotes Band aus Seide, und dass sie so leuchtete, lag daran, dass sie neu war. Die alte Oriflamme befand sich in England, eine Kriegstrophäe, errungen im vergangenen Sommer auf den weiten grünen Hügeln zwischen Wadicourt und Crécy. Doch die neue Fahne war ebenso heilig wie die alte, und sie war umrahmt von den Bannern der höchsten französischen Adelsgeschlechter: Bourbon, Montmorency und Armagnac. Auch weniger hochstehende Wappen waren vertreten, doch alle verkündeten, dass die größten Krieger aus Philippes Königreich gekommen waren, um gegen die Engländer zu kämpfen. Doch zwischen ihnen und dem Feind lagen der Fluss und die Brücke bei Nieulay, die von einem steinernen Turm bewacht wurde, um den die Engländer Gräben gezogen hatten. Diese Gräben waren mit Bogenschützen und Soldaten bemannt. Dahinter kam der Fluss, dann die Marschen, und auf dem höher gelegenen Land, das die imposante Mauer und den doppelten Wassergraben von Calais umgab, breitete sich eine improvisierte Stadt aus, in der die englische Armee lebte. Und es war eine Armee, wie man sie in Frankreich noch nie zuvor gesehen hatte. Das Feindeslager war größer als Calais selbst. So weit das Auge reichte, reihten sich Zelte und Holzhäuser und Pferdekoppeln aneinander, und überall wimmelte es von Soldaten und Bogenschützen. Die Oriflamme hätte ebenso gut zusammengerollt bleiben können.
    «Wir können den Turm einnehmen, Sire.» Geoffrey de Charny, einer der kampferfahrensten Männer in Philippes Armee, deutete hinunter zu der englischen Garnison bei Nieulay, die isoliert auf der französischen Seite des Flusses lag.
    «Wozu?», fragte Philippe. Er war ein schwacher Mann und zögerlich in der Schlacht, doch seine Frage war berechtigt. Selbst wenn sie den Turm eroberten und die Brücke von Nieulay so in seine Hände fiel, was würde ihm das nützen? Die Brücke führte lediglich zu einer noch viel größeren englischen Armee, die sich bereits auf dem festen Grund am Rand ihres Lagers aufzustellen begann.
    Die Bürger von Calais, ausgehungert und verzweifelt, hatten die französischen Banner auf der Anhöhe im Süden erblickt und als Antwort darauf ihre eigenen Flaggen auf den Zinnen der Brustwehr gehisst. Sie zeigten die Jungfrau Maria, St. Denis, den Schutzheiligen Frankreichs, und, hoch oben auf der Zitadelle, die blau-gelbe Standarte des Königs, um Philippe zu verkünden, dass seine Untertanen immer noch lebten, immer noch kämpften. Doch das stolze Präsentieren der Fahnen änderte nichts an der Tatsache, dass sie seit elf Monaten belagert

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