Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Bilder; das vierte (kleinere) hing an einer Schmalwand unmittelbar daneben und war das Wöllner-Bild aus seiner Ministerzeit. Er trägt auf demselben gepudertes Haar, einen roten Uniformrock und einen blauen, mit Silber gestickten Kragen. Ebensolche Rabatten und Aufschläge. Die Nase dicklich, die Lippen wulstig, die Augen groß und hervortretend. Alles in allem entschlossen und charaktervoll, aber ohne Wohlwollen.
Auf diesem kleineren Portrait ist er ein mittlerer Fünfziger, auf dem größeren, im rechten Winkel daneben hängenden aber erscheint er als ein jugendlicher und in der Tat schöner abbéhafter Mann, wie man ihnen auch heute noch innerhalb der katholischen Geistlichkeit in Östreich und Süddeutschland zu begegnen pflegt. Er zeigt sich, seinen damaligen Studien entsprechend, mit einem Mikroskop beschäftigt, zwischen dessen Gläser er eben einen zu beobachtenden Gegenstand gelegt zu haben scheint. Eine Verwandtschaft zwischen den beiden Bildern ist unverkennbar: derselbe sinnliche Mund, dazu dieselben großen Vollaugen. Und doch, welch ein Unterschied! Auf dem Ministerportrait alles abstoßend, hier alles anziehend bis zum Verführerischen. Dazu gut und, soweit meine Kenntnis reicht, in einzelnen Partien sogar vortrefflich gemalt. Von welcher Hand, würde sich durch Kunstverständige leicht feststellen lassen, da, nach Antoine Pesnes Tode, wohl nur wenige Maler in Berlin existierten, die so zu malen imstande waren.
Die beiden Itzenplitzischen Frauenportraits, die dieselbe Wand schmücken, sind in Ausdruck und Vortragsweise nur Durchschnitt. Alles Interesse verbleibt also ihm , und wer die Geschichte dieses vielfach verkannten und unterschätzten Mannes dermaleinst zu schreiben gedenkt, wird an diesen Groß-Rietzer Bildnissen nicht vorübergehen dürfen. Sie lehren uns manches in seinem Leben und Charakter verstehn.
Inzwischen war die Sonne gesunken, und als wir jetzt aus dem Saal auf die große Freitreppe hinaustreten, stand der Vollmond bereits in aller Klarheit am Himmel. Ihn als Leuchte zur Seite, gingen wir auf die nah gelegene Kirche zu, hinter deren Fenstern ich ein paar Epitaphien und Trophäen in ihrem flimmernden Schmucke von Waffen und Goldbuchstaben erkannte. Dieser flimmernde Schmuck aber war nicht das, was meine Schritte hierher gelenkt hatte, vielmehr hielt ich mich jetzt auf die Mitte des Kirchhofs zu, wo, von einer Gruppe von Ahornplatanen umstellt, ein großer Granit, ein Doppel grabstein lag, auf dem einfach die Namen standen: »J. C. von Wöllner und C. A. C. von Wöllner, geborne von Itzenplitz«. Sonst nichts, weder Spruch noch Inschrift. Um die Stätte her war braunes Laub hoch zusammengefegt und predigte wie der Stein selber von der Vergänglichkeit irdischer Dinge.
Moll war uns auf den Kirchhof gefolgt. Er schien einen Augenblick zu Reflexionen in dem eben angedeuteten Sinne geneigt, gab es aber doch auf und begnügte sich schließlich mit einer einfachen Wetterbetrachtung: »Ich dachte, der Wind würd uns einen Regen zusammenfegen. Aber es is nichts. Sehen Sie sich bloß den Mond an; er hat nich mal ‘nen Hof und steht so blank da wie ‘n Zehnmarkstück.«
»Es is richtig. Aber Moll, warum sagen Sie bloß Zehn markstück?«
»Jott, ich dachte, vor die Gegend…«
Und damit gingen wir auf das Gasthaus zu, wo mein Mammon- und Adelsfreund schon ein Zimmer für mich, und zwar »auf der rechten Giebelseite«, bestellt hatte.
»Gott, Moll, das ist ja die Mondseite.«
»Na, denn tauschen wir. Ich hab es gern, wenn er mir so prall aufs Deckbett scheint.«
4. Blossin
In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unterschiede, daß wir, statt um die Nordspitze des Schermützel, um seine Südspitze herumfuhren.
Es waren dieselben Bilder, und Wagen und Gespräche mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigste, weil Moll ein Mittel angab, wie diesem Urfeinde der Menschheit beizukommen sei. Man müsse sich nämlich alle Morgen beim Waschen erst die Hände trocknen und dann das Gesicht; das sei probat, und er wenigstens habe seitdem Ruhe.
Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden Hauptstädte dieser Gegenden, und fuhren eine Stunde später um den großen Wolziger See herum, an dessen Westufer ich in einiger Entfernung unser eigentliches Reiseziel erkannte: Dorf Blossin.
Dieses, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Friedersdorf
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