Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Akazien, emporstiegen. Die Akazien füllten die Luft mit Wohlgeruch. Es war ein köstlicher Abend. In den Nischen des Buschwerkes standen halbzerbrochene Sandsteinfiguren, Urnen und trauernde Engel, anzeigend, daß hier in halbvergessenen Tagen irgendein prinzeßlicher Vorleser, irgendein Mitglied von Hofstaat oder Kapelle begraben worden sei. Nun schlugen die Nachtigallen darüber. Eine dieser Begräbnisstätten – nicht aus Pietät, sondern aus Gärtnerlaune – war von einem Blumenbeet umgeben. Alles Grün fehlte; nur Lilien, weiße und rote, drängten sich dicht durcheinander. Diese prätentiöse Pracht wirkte beinah unheimlich. Ein junges Köpenicker Paar ging an mir vorüber, das vielleicht Auskunft geben konnte. »Wer liegt hier?« fragt ich. »Da liegt der Flötenspieler«, lautete die Antwort. Und dabei kicherten beide.
Ich schlenderte noch den Kiesweg auf und ab, als ich meine Reisegefährten von der Schloßbrücke her zurückkommen sah. Es folgten ihnen drei Paar Träger mit großen Deckelkörben, die den angekündigten Proviant herantrugen. Die Körbe über den schmalen Steg hin direkt an Bord zu schaffen war unmöglich; ihr Inhalt mußte also vom Ufer aus in Einzelstücken herübergereicht werden, etwa wie sich Bauarbeiter die Steine zureichen. Dies gab mir Gelegenheit, die Verproviantierung der »Sphinx« im Detail kennenzulernen. Der Eindruck, den ich davon empfing, war ein gemischter, denn alles Tröstliche, was er mit sich brachte, wurde durch ebensoviel Beängstigendes balanciert. Durch welche Gegenden mußten wir kommen, um zu solchen Vorsichtsmaßregeln gezwungen zu sein! Es wurden eingeschifft: 120 Flaschen Tivolibier, 120 Flaschen Sodawasser, 30 Flaschen Bordeaux, 3 Filets, 2 Schock Eier, 1 Butterfaß, 1 Zuckerhut, 1 Baumkuchen, 6 Flaschen Scharlachberger und 1 Dutzend Flaschen Champagner. Mehr noch als diese durch Zahl oder Gewicht bemerkenswerten Quantitäten imponierte mir die Liste der »Kleinigkeiten«; sie füllte einen halben Bogen und wies über hundert Nummern auf. Ich zitiere daraus nur folgendes: eine Muskatnuß, ein kleines Reibeisen dazu, Salveiblätter, um Aal, und Dilldolden, um Schlei zu kochen. Alle diese Dinge, groß oder klein, verschwanden ohne Schwierigkeit in dem Rumpf des Schiffes; die Butter, das Fleisch erhielten ihren Platz auf großen Eisblöcken, und eh eine halbe Stunde um war, war auch die letzte Flasche »gestaut«.
Damit hatten die Vorbereitungen ihr Ende erreicht; Ruhe trat an die Stelle der Arbeit, und während Mudy im Vorderraum des Schiffes sich um den Tee bemühte, saßen wir auf der Rundbank zwischen dem Steuer und dem Kajüteneingang und plauderten.
Es war um die elfte Stunde; in der dunklen breiten Wasserfläche spiegelten sich die Sterne, zugleich auch die Lichter aus Häusern und Villen, die, im Grünen halb versteckt, das Ufer des Flusses einfassen.
Ich fragte nach dem Schiff, nach seiner Bauart, nach seinen Schicksalen, vor allem auch nach dem Seglerklub, dem die »Sphinx« als eines der schönsten Boote angehört. Kapitän Backhusen, im allgemeinen kein Mann der Rede, war plötzlich in seinem Element und nahm gern das Wort.
»Ich weiß nicht, um welche Zeit der Klub ins Leben trat, aber seit einer Reihe von Jahren ist er da. Er hat wohl an hundert Mitglieder oder mehr, und die Zahl seiner Boote wird nicht geringer sein. Zwischen Treptow und dem ›Eierhäuschen‹ ankert seine Flottille, die eine Musterkarte schöner und lieblicher Namen aufweist: ›Sturmvogel‹ und ›Greif‹, ›Komet‹ und ›Blitz‹, ›Libelle‹ und ›Forelle‹, ›Undine‹ und ›Albatros‹. Wir haben Korsos und Regatten, Preisrichter und Preisverteilungen! Chronometer, Flaggen und Becher. Der große Ehrenbecher muß von Jahr zu Jahr immer neu erworben werden; da dies selten glückt, so wandert er meist von Hand zu Hand. Aber das weckt keinen Neid; es herrscht eben ein kameradschaftlicher Geist.«
»Die Folge gemeinschaftlich überstandener Gefahren.«
»Was Sie scherzhaft aussprechen, trifft doch schließlich im Ernste zu. Aller Sport, der sonst nur Spiel wäre, hat seine Gefahr, aber keiner mehr als der Segelsport. Ob es an uns liegt oder an der Perfidie unserer Gewässer, laß ich dahingestellt sein; nur soviel, es vergeht kaum ein Jahr, wo nicht die Spree hierherum ihr Opfer fordert. Und immer nimmt sie uns die Besten. Ein solcher war auch Heinecke, der auf Neu-Spreeland wohnte, unser Seglerveteran. Dazu aller Menschen Freund. Er hatte ein neues
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