Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
ging, dem Eisenbahnhofe zu, schloß sich die ganze männliche Bevölkerung dem Militärkommando an, alle Frauen und Mädchen aber standen an den offenen Fenstern und folgten teilnahmsvoll dem langen Zuge. Tugend und Tapferkeit erobern jedes Herz, auch das des Feindes.
Am 10. März traf der Sarg hier ein und wurd in der Leichenhalle des Jerusalemer Kirchhofes niedergesetzt. Am 13. erfolgte die Bestattung. Das 2. Garde-Ulanen-Regiment gab das Ehren- und Geleitskommando, und über den niedergesenkten Sarg hin feuerten die Karabiner. Dann schloß sich das Grab. Jetzt steht es dicht in Efeu und Blumen, Zypressen ringsumher, und auf dem schräg liegenden, halb überwachsenen Marmorkreuze lesen wir: »Hier ruhet in Gott unser geliebter einziger Sohn, der Portepee-Fähnrich Alexander Anderssen, geboren den 19. November 1847, vom Feinde erschossen in Thionville den 29. Oktober 1870.«
Ruh aus, tapfres Herz.
Friedrichsfelde I
Und nahe hör ich, wie ein rauschend Wehr,
Die Stadt, die völkerwimmelnde, ertosen.
»Braut von Messina«
Gegrüßet seid mir, edle Herrn,
Gegrüßt ihr, schöne Damen!
Goethe
Wen ein Sommernachmittag ausnahmsweise vor die Tore der östlichen Stadtteile, beispielsweise nach Friedrichsfelde, führt, dem werden sich daselbst in Landschaft und Genre die gefälligsten und in ihrer heitern Anmut vielleicht auch unerwartetsten Bilder erschließen. Friedrichsfelde darf als das Charlottenburg des Ostends gelten, und allsonntäglich wandern Hunderte von Residenzlern hinaus, um sich »Unter den Eichen« daselbst zu divertieren. Es sind meist Vorstadt-Berliner, jener Schicht entsprossen, wo die Steifheit aufhört und der Zynismus noch nicht anfängt, ein leichtlebiges Völkchen, das alles gelten läßt, nur nicht die Spielverderberei, ein wenig eitel, ein wenig kokett, aber immer munter und harmlos. Wie das lacht und glücklich ist im Schweiße seines Angesichts! Jetzt »Bäumchen, Bäumchen, verwechselt euch«, jetzt Anschlag, jetzt Zeck, jetzt Ringelreihn und Gänsedieb, bis endlich unter den weitschattigen Parkbäumen sich alles lagert und auf umgestülpten Körben und Kobern die Mahlzeit nimmt.
Die Fahrt nach Friedrichsfelde, wenn man zu den »Westendern« zählt, erfordert freilich einen Entschluß. Es ist eine Reise, und durch die ganze Steinmasse des alten und neuen Berlins hin sich mutig durchzuschlagen, um dann schließlich in einem fuchsroten Omnibus mit Hauderer-Traditionen die Fahrt zu Ende zu führen, ist nicht jedermanns Sache. Wer es aber an einem grauen Tage wagen will, wo die Sonne nicht sticht und der Staub nicht wirbelt, der wird seine Mühe reichlich belohnt finden. Er wird auch überrascht sein durch das reiche Stück Geschichte, das ihm an diesem Ort entgegentritt.
Wir erzählen davon.
Friedrichsfelde bis 1700
Friedrichsfelde war bis zum Jahre 1700 gar kein Friedrichsfelde, sondern führte statt dessen den poetischen, an Idyll und Schäferspiele mahnenden Namen Rosenfelde. Und doch griff dieser Name bis auf Zeiten zurück (erstes Vorkommen 1288), wo hierlandes an alles andere eher gedacht wurde als an Schäferspiele. Kaum Schäfer mocht es damals geben.
1319, im letzten Regierungsjahre des Markgrafen Waldemar, wurden die Ratmannen von Berlin und Cölln die Herren des schon damals ansehnlichen Besitzes, und beinahe drei Jahrhunderte lang trug es die alte Patrizierfamilie der Rykes von den Ratmannen zu Lehn. 1590, so scheint es, wurde das Gut dann landesherrlich, wenigstens zu größrem Teile, bis es unter dem Großen Kurfürsten in den Besitz Joachim Ernst von Grumbkows und
1695 in
den Benjamin Raules kam.
Benjamin Raule – ein Holländer von Geburt, Generaldirektor des Seewesens, dessen Name in »Raules Hof«, wo sich die Admiralität damals befand, bis auf den heutigen Tag fortlebt – verblieb nur wenige Jahre im Besitz von Rosenfelde. So kurz diese Zeit war, so war sie doch ausreichend, um dem herrschaftlichen Gut im wesentlichen die Ausdehnung und Anlage zu geben, die dasselbe noch heute zeigt. Bis dahin hatte Rosenfelde ein Jagdschloß gehabt, wahrscheinlich aus der Joachimischen Zeit. Dies überließ Raule seinem Schicksale, baute statt dessen ein Lusthaus, einen Sommerpavillon, an derselben Stelle, wo jetzt das Schloß steht und ließ durch holländische Gartenkünstler den jetzigen Park anlegen. Raule war sehr reich. Er bewirtete verschiedentlich den Kurfürsten samt seinem ganzen Hof im Rosenfelder Lustschloß, und der Poet von Canitz konnte
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