Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
kam Richard Lucae in die Gipsklasse.
Und so war der alte Schadow, setzen wir hinzu. Ein Zwiespalt ging durch sein Leben: Griechentum und Märkertum hielten sich das Gleichgewicht oder verbanden sich zu einem wunderbar humoristischen Gemisch. Wenn er in den Saal tapste oder das Taschentuch zog (was viel öfter geschah, als schön war), war er ganz der Sohn seines Vaters aus Dorf Saalow, wenn er den Stift in die Hand nahm, war er das Kind einer glücklicheren Zone. Mark Brandenburg und Athen erschienen abwechselnd als seine Heimat. Sein Körper und seine Seele lebten miteinander wie Venus und Vulkan. Diese Zwiespältigkeit wurde zuletzt sein Stolz, und er machte das Beste draus, was sich draus machen ließ, ein Original . Und wirklich, immer nur solche Derbheitsgestalten sind bei unserm Volke populär geworden: der Alte Dessauer, Friedrich der Große, Blücher. Auch unser großer Kanzler gehört hierher. Alles Patente wird beargwohnt oder ist einfach lächerlich.
Das ganze Auftreten Schadows erinnerte vielfach an die Meister des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts. Er war ein Peter Vischer ins Märkisch-Berlinische übersetzt und hielt noch aufs Handwerk , immer davon ausgehend, daß es besser sei, das Handwerk zur Kunst als die Kunst zum Handwerk zu machen. Von Bürgersinn und Bürgertrotz war ihm ein gerüttelt und geschüttelt Maß geworden, und gegenüber modernen Künstlerprätensionen hielt er’s ganz mit der alten Schule, die sich mehr ums Sein als ums Scheinen kümmerte. Das Schwierige des bloßen, äußerlichen Machen-Könnens betonte er gern, und in ähnlicher Weise, wie Ludwig Tieck zu sagen pflegte: »Es ist immerhin eine Arbeit , einen dreibändigen Roman zu schreiben, gleichviel ob er gut oder schlecht ist«, so sagte auch Schadow, wenn Skizzen über Gebühr und auf Kosten ausgeführter Arbeiten gelobt wurden: »Papier is weech, aber Steen is hart.«
In einem gewissen Zusammenhange mit diesem Betonen des Handwerklichen in der Kunst war es auch, daß er mit Vorliebe zitierte: »Der Arbeiter ist seines Lohnes wert«, und sich jedesmal ärgerte, wenn einem Künstler zugemutet wurde, vom himmlischen Lichte leben zu sollen. Er forderte für den Maler und Bildhauer, wie für jeden andern Menschen, das tägliche Brot und bekannte sich sogar zu dem in der Kunst vielleicht anfechtbaren Satze, daß sich Art und Wert der Arbeit nach dem Lohn zu bestimmen habe. Sein gemünztes Wort in solchem Falle war: »Kuppern bezahlt, kuppern gemalt.«
Er hatte, wie alle volkstümlichen Figuren unseres Landes, eine Vorliebe für den Dialekt , wiewohl er ihn ebensoleicht beiseite tun und namentlich in Aufsätzen und Abhandlungen – deren höchst vortreffliche von ihm existieren – eine durchaus mustergültige Sprache führen konnte. Lakonisch war er immer, wie fast alle Leute hervorragenden Könnens. Er trieb diese Kürze des Ausdrucks gelegentlich bis zur Unverständlichkeit, und nur Eingeweihte konnten ihm in solchem Falle folgen. Ein Jugenderlebnis, von dem er gerne sprach und das ihm so recht deutlich gezeigt hatte, mit wie wenig Worten sich durchkommen lasse, schien eine Nachwirkung auf sein ganzes Leben ausgeübt zu haben. Als er 1791 über Schweden nach Petersburg reiste, fand er an der russischen Grenzstation Kymen einen ehemaligen russischen Korporal als Posthalter vor. Schadow fror bitterlich und hatte Hunger und Durst. Er wußte kein Wort russisch, und um sich so gut wie möglich zu introduzieren, sagte er bloß: »Tottleben, Tschernyschew, Zarewna.« Der Korporal antwortete: »Belling, Zieten, Fridericus Rex.« So wurde mit Hülfe des Siebenjährigen Krieges Freundschaft geschlossen. Man fand sich und schüttelte sich die Hände. Der Russe schaffte Speisen und Tee herbei und trat dann unserm Schadow sein Bett ab, das das einzige in der ganzen Gegend war. Er hatte hier praktisch erfahren, daß es nur darauf ankomme, das rechte Wort zu treffen! –
Voller Selbstbewußtsein, war er doch frei von jeder kleinlichen Eitelkeit. Ja, er erwies sich nach dieser Seite hin als eine echte und große Künstlernatur. Die Autobiographie, die er hinterlassen hat, zeigt uns in erhebender Weise die Beispiele davon. Nirgends ein Verkleinern anderer, nirgends ein Vordrängen des eigenen Ich, nirgends ein Verkennen oder wohl gar ein Grollen über die Fortschritte, die Zeit und Kunst um ihn her gemacht hatten. Selten mag ein Künstler mit größerer Unbefangenheit über seine Werke zu Gericht gesessen haben. »Es kann
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