Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
und so kamen wir denn beiderseits überein, unsere Verheiratung nicht bloß eine heimliche, sondern zugleich auch eine bloße Versuchsehe sein zu lassen. Es wurde stipuliert, daß wir, wenn wir nach einer bestimmten Zeit den Versuch als gescheitert betrachten müßten, in aller Stille wiederum uns trennen wollten, ein Weg, der um so leichter zu beschreiten sei, als den Gerichten nicht obliegen könne, Verträge wieder aufzuheben, die die Zustimmung der Landesgesetze noch gar nicht empfangen hätten.
Dieser Art war das Übereinkommen, das wir unmittelbar nach unserer Trauung trafen.
Die Zeit, die seitdem vergangen ist, hat mich in meiner Liebe bestärkt und als endliches Resultat ergeben, daß ich Sie hiermit, mein teurer und hochverehrter Herr Vater, um Ihre Zustimmung und Ihren Segen bitte. Sie werden mit Ihrer Schwiegertochter zufrieden sein; ebenso werden meine Brüder und Schwägerinnen sie des Namens nicht unwürdig finden, den sie nun führen soll. Dessen bin ich sicher. Sie hat übrigens selber schreiben wollen, und wenn es geschehen sollte, so bitt ich ihrem Briefe mit Ihrer stets bewiesenen Nachsicht und Güte zu begegnen.
Unterdessen nehmen Sie die Versicherung meiner tiefsten Ehrerbietung, mit der ich bin Ihr ganz ergebener und gehorsamer Sohn George.
9. Kapitel
Die Krautentochter, nunmehr Baronin Knyphausen, reist nach Lützburg. Es wird ein Sohn geboren. Baron Knyphausen wird krank und stirbt
Am 30. Juni 1783 hatte die mehrerwähnte Scheidung von Mr. Elliot, am 1. Oktober desselben Jahres die heimliche Trauung mit Baron Knyphausen zu Rosenthal in Sachsen und am 25. April 1784 unter Vorzeigung einer inzwischen eingetroffenen königlichen Dispensation die öffentliche Trauung mit letztgenanntem Baron K. stattgefunden.
Unsere Krautentochter war nun also Baronin Knyphausen .
Im Mai oder Juni wurde dem zweimal getrauten Paar ein Sohn geboren, Karl Wilhelm Tido, und abermals zwei Monate später erfolgte die seit lange geplante Reise nach Ostfriesland, um daselbst die junge Schwiegertochter dem alten Freiherrn und der gesamten Verwandtschaft vorzustellen. Alles, was voraufgegangen war, konnte sie dem in strenger Zucht und Sitte stehenden Hause nicht sonderlich empfohlen haben, demungeachtet würde sie bei den vielen Vorzügen, über die sie Verfügung hatte, die Herzen aller, insonderheit aber das des alten Freiherrn, unschwer gewonnen haben, wenn dieser nicht, als man eintraf, ein bereits bedenklich Kranker gewesen wäre. Sein Zustand verschlimmerte sich rasch, und vor Ablauf der dritten Woche starb er. Das waren denn nun freilich nicht Zeiten, um durch Schönheit und Liebenswürdigkeit alte Schulden quittzumachen, alles kleidete sich in Trauer, und als der Ernst der Begräbnistage vorüber war, war er nur vorüber, um dem noch größeren Ernst erbschaftlicher Verhandlungen Platz zu machen. Es gab dabei die herkömmlichen Verstimmungen, ein Plus von Anspruch und ein Minus von Gewährungslust, was aber all diesen Verstimmungen erst die rechte Schärfe gab, war einfach ein Resultat der eigentümlich veränderten Situation, in der man sich durch den Todesfall des Vaters befand. Als ein Besuch, der um Nachsicht zu bitten hatte, war die schöne junge Schwägerin ins Haus gekommen, und ebendiese Schwägerin, die gestern noch beflissen gewesen war, allerlei kleine Huldigungen darzubringen, ebendiese war über Nacht in ihrer Eigenschaft als Gattin des ältesten Sohnes und nunmehrigen Chefs des Hauses in die vordere Linie gerückt, war eine Respektsperson geworden und nicht mehr dazu da, Huldigungen darzubringen, sondern umgekehrt entgegenzunehmen. Es scheint auch nicht, daß dieselben verweigert wurden, im Gegenteil, aber die diese Besuchstage besprechenden Aufzeichnungen der Lützburger Chronik lassen doch so viel erkennen, daß unsere Krautentochter schließlich nicht unfroh war, aus Ostfriesland scheiden zu können, und daß die Schwäger und Schwägerinnen noch weniger unfroh waren, sie scheiden zu sehen.
Im Oktober 1784 war das junge Paar wieder in der Mark zurück und teilte nun während der nächsten zwei, drei Jahre den Aufenthalt zwischen Berlin und Hoppenrade. In Berlin bewohnte man das auf der Jägerbrücke gelegene Bredowsche Haus, in welchem auch im Herbste 1785 eine Tochter geboren wurde: Sophie Oriane Constanze Friederike. Das Verhältnis zu der ostfriesischen Verwandtschaft blieb auch bei wiederholten Besuchen dasselbe, will sagen freundlich und förmlich, ohne daß es geglückt
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