Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
Und immer scharf ins Gewissen, das haben sie gern, und die Alten sagen dann: › Der versteht’s.‹ Und wer’s versteht, dem gehorchen sie, und dem folgen sie, und wenn’s ihnen auch an Kopf und Kragen ginge. So kenn’ ich unsere Leute, gut Beispiel ist alles, gut Beispiel und Mut.«
Bamme nickte.
»Und, Herr General«, fuhr Kniehase fort, »eines wollt’ ich mit Permission noch gefragt haben: Wollen der Herr General nicht eine Uniform anlegen? Es ist immer gut, so zweierlei Tuch.«
»Nein, Kniehase, Uniform und Uniform ist ein Unterschied. Ein alter Husarenrock ist nur gut unter seinesgleichen, jeder drückt dann ein Auge zu. Aber allein ist er gefährlich und hat dann so seine Beinamen. Mantel und Pelzmütze, das muß ausreichen, und meine Karbatsche hier.« Und dabei fuchtelte er mit einem dicken Fischbein, das ihm je nach Bedürfnis als Stock und Gerte diente, in der Luft umher.
Während dieser Worte war die Fuchsstute beiseite geführt worden, mit ihr auch ein schöner Grauschimmel, den man als Reservepferd für Hirschfeldt ausgesucht hatte. So vergingen einige Minuten, dann sagte Bamme, der mit dem Schulzen auf und ab geschritten war: »Wie spät ist es, Kniehase?«
»Halb zwölf.«
»Da haben wir noch eine halbe Stunde; wo bleib’ ich so lange?«
»Der Herr Pastor steht am Fenster. Wollen der Herr General nicht bei ihm eintreten?«
»Nein, Kniehase, mir ist nicht nach Seidentopf. Und die Totentöpfe hab’ ich gestern erst gesehen. Es ist Schlackerwetter, und drüben ist ja der Krug; wem gehört er doch?«
»Den Scharwenkas.«
»Richtig, den Scharwenkas, böhmische Kolonisten.«
»Ja, Herr General; aber alle Stuben sind voll, von wegen der Revue, Bauern und Knechte. Wenn der Herr General mit in den Schulzenhof kommen wollten?«
»Gewiß, Kniehase, mir sehr willkommen. Habe bei den Vitzewitzes allerlei gehört. Sollen eine schöne Tochter haben, einen wahren Ausbund.«
»Pflegetochter, Herr General.«
»Macht mir keinen Unterschied. Die alte herrnhutsche Klucke drüben, die aus Furcht vor mir immer drei Sprüche auf der Zunge hat, hat uns gestern von dem Töchterchen erzählt, so was von Hühnerhof und Schwanenei. Ich gebe nicht viel auf altes Weibergeschwätz, aber ich bin doch neugierig, das Mirakel, das junge Schwänchen, kennenzulernen.«
Damit hatten sie den Schulzenhof erreicht und traten nach links hinein, wo Marie, die das Vorführen und Aussuchen der schönen Pferde mit vielem Interesse beobachtet hatte, am Fenster saß. Sie stand jetzt auf, um das Zimmer zu verlassen; der alte General aber, während er sie mit listigen Augen musterte, sagte: »Bitte, bleiben Sie, Sie sollen mit mir zufrieden sein.«
Und Marie blieb. Bamme nahm einen Stuhl und bemerkte zu dem Schulzen: »Bitte, Kniehase, sagen Sie dem Rittmeister, daß er mich draußen auf der Chaussee erwartet. Ich will von hier aus reiten, und lassen Sie der Stute draußen noch eine Decke auflegen; sie kommt von Drosselstein, wird also wohl verwöhnt sein. Ihr Töchterchen erzählt mir unterdessen alte Geschichten. Alte Geschichten, die Sie schon kennen.«
Kniehase ging.
Marie, die nicht das Beste von dem Alten wußte, blieb ziemlich ruhig, ruhiger als gestern in der Kirche. Sie hörte bald heraus, daß er es gut mit ihr meinte und daß Teilnahme und selbst Respekt aus seinen Worten sprachen.
»Ich bin ein alter Mann«, begann er, »und plaudere gern. Am liebsten aber hab’ ich Menschen, die anders sind als andere. Und dabei bin ich neugierig wie eine Nachtigall. Da müssen Sie mir denn schon ein paar Fragen zugute halten. Nicht wahr, Sie sind kein Hohen-Vietzer Kind, nicht aus dem Bruch?«
»Nein, ich bin aus dem Sächsischen«, sagte Marie.
»Ah, aus Sachsen«, fuhr Bamme fort. »Ich dacht’ es beinah, es hat was auf sich mit dem alten Reim. Und Sie verloren Ihre Eltern früh?«
»Ja, meine Mutter hab’ ich kaum gekannt. Dann zog ich mit meinem Vater über Land; aber er kränkelte viel.«
»Sie zogen mit ihm, wie darf ich das verstehen?«
»Wir zogen umher und gaben Vorstellungen: Tanz und Deklamation und Zauberei. Erst in kleinen Städten, dann in Dörfern; und hier starb er. Er hat sein Grab oben auf dem Kirchhof, und der alte Jeserich Kubalke, unser Küster und der Vater von der hübschen Maline, hat ihm eine Grabschrift geschrieben.«
»Und wie kam es dann? «
»Ich weinte herzlich, nicht um meiner Not willen, denn ich hatte nicht das Gefühl davon, aber weil ich ihn so sehr geliebt hatte. Noch jetzt häng’
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