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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Platz zwischen den Flurschränken nicht verlassen, denn als Offizier war es sein Recht und seine Pflicht, nur den Säbel zu führen. Wir Kinder schlichen uns bis in die Nähe des Rathausplatzes, von wo aus der Zug sich alsbald in Bewegung setzte, erst eine Abteilung Schützengilde, dann die Schleife mit den beiden Verurteilten, rechts und links von ein paar der besten Schützen begleitet; abschließend dann die gesamte bewaffnete Bürgerschaft. Die Stadt war wie ausgestorben, alles draußen oder im Gefolge. Wie die Letzten außer Sicht waren, zogen wir uns in unser Haus zurück. Einige befreundete Damen begleiteten meine Mutter, die merkwürdig ruhig war; sie fand alles, was vorging, nur in der Ordnung, Aug um Auge, Zahn um Zahn, und ließ den Damen, die mit bei uns eingetreten waren, ein Glas Portwein reichen. Dann sprach sie von ganz andern Dingen; sie wollte falsche Sentimentalität nicht aufkommen lassen und hatte recht wie immer.
    Inzwischen gingen die Dinge draußen ihren Gang. Mit der Frau ging es rasch. Dann kam Mohr an die Reihe. Man legte ihn auf die Klötze – denn die vorzunehmende Prozedur war die des Räderns – und schob ihm dann einen zur Schleife geschlungenen Strick rasch um den Hals, der nun durch die Ringe hindurch von zwei Seiten her fest angezogen werden sollte. Das war, damit er fester liege; aber eigentlich war es, um der Qual ein rascheres Ende zu machen; ein sehr zu billigendes Verfahren. Im selben Momente jedoch, wo die Knechte, die es gut meinten, den Strick scharf anzogen, riß dieser von der dabei   angewandten Gewalt, und Mohr, der bis zum letzten Augenblicke den unsinnigen Glauben an seine Begnadigung »noch von Jena her« festgehalten hatte, richtete sich auf, fixierte den neben ihm stehenden Scharfrichter und sagte mit einem grausigen Freudenausdruck im Auge: »Wat wird nu aus Muhrn?« Er hatte nicht lange zu warten. Eine neue sich um seinen Hals legende Strickschleife war die Antwort auf seine Frage.
    Gegen elf waren alle von der Exekution zurück, mein Vater in sichtlicher Erregung, aber diese doch auch wieder gedämpft durch das Gefühl der verantwortlichen Kommandorolle, die sein Teil bei der Sache gewesen war. Er erzählte den Hergang ziemlich ruhig, nur mit besonderer Betonung einzelner französischer Wörter wie massacre, sangfroid, pitoyable, zu denen er immer griff, wenn er etwas scharf markieren wollte. Mir war zumut, als ob wenigstens ein Unwetter heraufziehen oder eine Sonnenfinsternis stattfinden müsse; es kam aber nichts derart, und in verhältnismäßig kurzer Zeit – was mit dem langen Schweben des Prozesses zusammenhängen mochte – war alles vergessen.
    Indessen bei dem geringsten Anstoß, und der kam öfter als mir lieb war, war die Sache doch wieder da. Das Mohrsche Ehepaar hatte einen Sohn hinterlassen, einen schwarzen, etwas sonderbaren Jungen in meinem Alter, der wie ein Igel aussah, so standen ihm die kurzen starren Haare vom Kopf ab. Er merkte auch, daß ich ihm nach Möglichkeit aus dem Wege ging, aber er war mir darum nicht gram, denn er hatte bei den Begegnungen doch wohl herausgefühlt, daß sich in mein Entsetzen viel Teilnahme über sein Geschick einmischte.
    Schließlich war ich wohl nur noch der einzige, der sich mit der Sache, wenigstens vorübergehend, beschäftigte. Und das kam so. Jahrelang hatte das kleine Staketenzaunhaus, drin der Mord geschehen war, leer gestanden, und die Blumen in dem halb verwilderten Vorgarten blühten für niemanden. Da, im Sommer 30, als ich bei untergehender Sonne mit meinem Papa vom Seebade zurückkam und bei der Gelegenheit auch den Rathausplatz und das Staketenzaunhaus passierte, sah ich mit einem Male, daß die bis dahin geschlossenen grünen Jalousien aufgemacht und die kleinen Fenster des Wohnzimmers geöffnet   waren. An einem derselben aber saß ein Gerichtsaktuarius, ein fideler Herr, den ich sehr gut kannte, und blätterte, während er Tabakswolken in die Luft blies, in einem vor ihm liegenden Aktenbündel. Er saß so, daß er eine gelbe Malvenstaude links und eine rote rechts hatte. Das Ganze war ein Bild äußersten Behagens. Ich wies darauf hin und sagte zu meinem Vater: »Das ist ja gerade die Stube …« – »Ja, das ist die Stube«, wiederholte er, »mein Geschmack wär es auch nicht.« Aber mit dieser kurzen Bemerkung war es abgetan, und ich empfand an jenem Tage zum ersten Male, was ich seitdem so oft empfunden habe, daß es mit den Schreckensdingen eine eigene Bewandtnis hat, geradeso wie mit

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