Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
verhältnismäßig nahe liegenden Eisschollen, so daß das Brett, das der Bootsmann trug, vollkommen ausreichte, einen Übergang von einer Scholle zur anderen zu schaffen. War er drüben, so reichte er mir die lange Piekenstange oder richtiger hielt die Stange so, daß sie mir als ein Geländer diente. Kurzum, ich empfand nur soviel von Gefahr, wie nötig war, um den ganzen Vorgang auf seine höchste Genußhöhe zu heben, und als ich, nach dem Frühstück drüben, wieder glücklich zurück war, betrat ich das Bollwerk wie ein junger Sieger und schritt in gehobener Stimmung auf unser Haus zu, wo meine Mutter, die von einem sehr erregten Gespräch zu kommen schien, schon im Flur stand und mich erwartete. Sie küßte mich mit besonderer Zärtlichkeit, dabei immer vorwurfsvoll nach dem Vater hinübersehend, und fragte mich, ob ich noch etwas wolle.
    »Nein«, sagte ich, »es gab Eierpunsch und Waffeln, und ich wollte auch welche für die Geschwister mitbringen; aber mit einem Male gab es keine mehr.«
    »Ich weiß schon. Du bist deines Vaters Sohn.«
    »Da hat er ganz gut gewählt«, sagte mein Vater.
    »Meinst du das wirklich, Louis?«
    »Nicht so ganz. Es war nur eine façon de parler.«
    »Wie immer.«

Zwölftes Kapitel
     
    Was wir in der Welt erlebten
     
      Das waren so die Dinge, die uns die Stadt erleben ließ, aber auch was draußen in der Welt geschah, war für uns da, nicht zum wenigsten für mich. Ich hatte von früh an einen Sinn für die politischen Vorgänge, wie sie mir unsere Zeitung vermittelte. Bis zu meinem zehnten Jahre freilich blieb mir diese Lektüre, wenn nicht absichtlich, so doch tatsächlich vorenthalten, was denn zur Folge hatte, daß mir die geschichtlichen Ereignisse der zwanziger Jahre: die Freiheitskämpfe der Griechen, samt dem sich anschließenden russisch-türkischen Kriege, lediglich durch eine Jahrmarktsschaubude zur Kenntnis kamen. Alle diese augenblendenden, immer wieder in Gelb und Rot und nur ganz ausnahmsweise (wenn es Russen waren) in Grün auftretenden Guckkastenbilder taten aber, trotz aller ihrer Gröblichkeit und Trivialität oder vielleicht auch um dieser willen, ihre volle Schuldigkeit an mir und prägten sich mir derart ein, daß ich über die Personen, Schlachten und Heldentaten jener Epoche besser als die Mehrzahl meiner Mitlebenden unterrichtet zu sein glaube. Griechische Brander stecken die türkische Flotte in Brand, das Bombardement von Janina (mit einer platzenden Riesenbombe im Vordergrund), Marco Bozzaris in Missolunghi, General Diebitsch Sabalkanskis Einzug in Adrianopel, die Schlacht bei Navarino – all das steht in einer Deutlichkeit vor mir, als wär ich mit dabei gewesen, und läßt es mich nicht bedauern, meine früheste zeitgeschichtliche Belehrung aus einem Guckkasten erhalten zu haben.
    Von Sommer 1830 an trat aber die Zeitung an die Stelle des durch Beleuchtungskünste verschönten und vergrößerten Gustav Kühnschen Bilderbogens, und ich sehe mich noch am Bollwerk stehen und auf das Anlegen der »Kronprinzessin Elisabeth«, des von Stettin kommenden Dampfers, warten, der täglich die Zeitungen mitbrachte. Mein Vater war natürlich auch mit an der Landungsbrücke, meist in Gesellschaft von Freunden. Waren es nun Freunde von der »milderen Observanz«, das heißt solche, von denen keiner nach dem in ziemlicher Nähe   gelegenen Spielpavillon hinüberlugte, so unterließ ers nicht, sich sofort in die Neuigkeiten zu versenken, waren aber umgekehrt etliche von den entschlosseneren Freunden zugegen, also von denen, deren Gedanken in derselben Richtung gingen wie die seinigen, so tat er nur einen flüchtigen Blick in die Zeitung und übergab mir dann diese, mit der ich nun in fliegender Eile nach Hause stürmte. Der Gehilfe, den wir damals hatten, war mein guter Freund und brannte auf Neuigkeiten nicht viel weniger als ich, ja, hätte am liebsten gleich selbst gelesen. Es war aber immer Mittagstunde, wo ziemlich viel zu tun für ihn war, und so fiel mir denn nicht bloß die Wonne des Lesens, sondern sogar die des Vorlesens zu. Hinter dem Rezeptiertische, wo man sich vor Enge kaum drehen konnte, war doch noch nahe dem Fenster ein freier Winkel geblieben, in dem ein eingesessener Binsenstuhl gerade Platz hatte. Da ließ ich mich nun nieder, während ich die Füße zugleich auf einen etwas vorgezogenen Kasten stemmte, von außen her aber, wo die dichtbelaubten Kastanien standen, fielen die Lichter und Schatten auf das aufgeschlagene Blatt. Und nun begann

Weitere Kostenlose Bücher