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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ein. Die Frau, ahnungslos, ließ es sich schmecken, und noch den Bissen im Munde, traf sie die tödliche Kugel. Im nächsten Augenblick schoß er sich selbst durch die Schläfe.
    Charakteristisch war auch der an den Hauswirt gerichtete Brief, der sich auf seinem Schreibtisch vorfand. Er entschuldigte sich darin, daß er nicht bloß die Miete nicht gezahlt, sondern durch sein Tun auch das Weitervermieten erschwert habe. Das war sein Letztes. »Ich mach’ ein schwarzes Kreuz dabei.«
     
    Viel bedeutender als Maron und überhaupt der weitaus Bedeutendste des ganzen Kreises war Julius Faucher . Nur sehr wenige sind mir in meinem langen Leben begegnet, die reicher beanlagt gewesen wären, und keinen habe ich kennengelernt, an dem man das, was man damals ein »Genie« nannte, so wundervoll hätte demonstrieren können wie an ihm. Ich sage mit Vorbedacht »damals«; jetzt denkt man Gott sei Dank anders darüber. Man weiß jetzt, daß ein Philister ersten Ranges ein großes Genie sein kann, ja, erst recht, während man sich ein solches, in den dreißiger und vierziger Jahren, ohne bestimmte moralische Defekte nicht gut vorstellen konnte. Jedes richtige Genie war auch zugleich ein Pump- und Bummelgenie. Von dieser Regel gab es nur wenig Ausnahmen.
    Faucher erschien in den Sonnabendsitzungen, die, wie schon kurz erwähnt, bei Maron stattfanden, mit großer Pünktlichkeit, sprach aber wenig, weil ihn unser lyrisches Treiben eigentlich langweilte, nicht aus Mangel an literarischem Verständnis, sondern umgekehrt, weil er von künstlerischem Sinn mehr besaß als wir. Er hatte die feinere Zunge und zeigte sich vor allem als der kritisch Überlegene. Die Hauptsache waren ihm die Kneipereien, die sich an die »Sitzungen« anschlossen. An mir nahm er ein gewisses Interesse, was halb schmeichelhaft, halb unschmeichelhaft war. Er sah mich aus seinen klugen Augen an und schien dabei sagen zu wollen: »Es ist doch unglaublich, was noch für Menschen vorkommen.« Einmal lud er mich ein, ihn zu besuchen. Seine Wohnung war Unter den Linden, die Nachbarecke von Kranzler. Wenn ich nicht irre, führten breite Außentreppen, wie man sie in Schweizer Häusern sieht, zu seinem in einem Hofflügel gelegenen Zimmer hinauf. Man sah, wenn man eintrat, sofort, daß er aus einem guten Hause stammte; von der herkömmlichen Ödheit einer Berliner Chambre garnie zeigte sich nichts, alles war eigentümlich und anheimelnd zugleich, und statt der »Philöse« erschien ein hübsches Mädchen, das den Tee brachte.
    »Nun, lieber Fontane, es ist nett, daß Sie gekommen sind. Ich habe Sie gebeten, um Sie heute abend mit einem Dichter bekannt zu machen.«
    Er sah wohl an meinen Augen, daß ich, nach diesen seinen Einleitungsworten, einen zweiten Besucher erwartete.
    »Nein«, lachte er, »nicht so. Der Dichter, mit dem ich Sie bekannt machen will, liegt hier schon auf dem Tisch. Und es ist niemand anders als unser Schutzpatron Lenau . Sie kennen ihn nicht, das haben Sie mir letzten Sonnabend freimütig gestanden; aber die andern, die sich alle für Lenau-Enthusiasten halten, kennen ihn eigentlich auch nicht. Maron kennt die ›Schilflieder‹, damit schließt so ziemlich seine ganze Weisheit ab.«
    »Die ›Schilflieder‹?«
    »Ja. Und ich freue mich, daß Sie sie noch nicht kennen, denn ich komme dadurch zu dem Vergnügen, Ihnen diese wundervollen Sachen vorlesen zu können.«
    Und nun begann er. Ich war hingerissen, was ihn sichtlich freute. »Ja, Freund«, nahm er wieder das Wort, »da kommt nun freilich unser Maron nicht gegen an, trotzdem er sich’s beinah einbildet. Aber diese ›Schilflieder‹, das ist doch gar nichts; hören Sie weiter.«
    Und nun las er mir aus der ersten Abteilung – nur etwa dreißig Seiten, die aber das Beste enthalten, was Lenau geschrieben hat – noch etliche Sachen vor: »Nach Süden«, »Dein Bild«, »Das Mondlicht«, »Nächtliche Wandrung«, »Bitte«, »Das Posthorn«.
    Der Eindruck auf mich war ein großer, überwältigender. Drei Tage später hatte ich die Gedichte. Das damals erstandene Exemplar hat mich durchs Leben hin begleitet, und ich lese noch darin. Ich würde das noch öfter tun, wenn ich die vorgenannten Stücke nicht auswendig wüßte. Sie sind meine Lieblinge geblieben. Der Mehrzahl haftet etwas Schmerzrenommistisches an, aber trotzdem finde ich sie schön bis diesen Tag.
    Im Herbst 1840 verließ ich Berlin und kam, wie von dem ganzen Kreise, so auch von Faucher ab. Erst fünf Jahre später sah ich ihn

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