Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
wurde, weiß ich nicht mehr, trotzdem ich sonst immer bei unalltäglichen Gelegenheiten gut aufzupassen verstand. Über Techows weitres Leben zu berichten, über seine Flucht, seinen Aufenthalt erst in London und dann in Melbourne – wo er Droschkenkutscher war – und endlich über seine Rückkehr an die Heimatstür, um an dieser abgewiesen zu werden – dazu ist hier nicht der Ort. Ich erzähle deshalb lieber ein paar Einzelnheiten aus dem Leben, das die »Sieben Weisen des Hippelschen Kellers« damals führten, gleich hinzusetzend: relata refero.
    Einige Mitglieder des Kreises verheirateten sich. Der erste, der es wagte, war der seitdem so berühmt gewordene Stirner. Seine Frau hatte etwas Geld, das, der Weisheit der »Sieben Weisen« entsprechend, sofort in einem großen Gesamtunternehmen angelegt werden sollte. Man beschloß, eine »Milchwirtschaft« einzurichten, und zwar nach demselben Prinzip, das viele Jahre später von dem praktisch klugen Bolle zu seinem und der ganzen Stadt Segen glorreich durchgeführt wurde. Die »Sieben« unternahmen Reisen auf die umliegenden Dörfer – ich hätte dabeisein mögen, wenn zum Beispiel St. Paul mit einer jungen Melkerin im Kuhstall verhandelte – und schlossen mit zahllosen Pächtern und Bauerngutsbesitzern Kontrakte über Milchzufuhr ab. Von einem bestimmten Tage an hatte jeder soundso viele Quart zu liefern. Das Bureau und die Kellerräume, alles ganz großartig, befanden sich in der Bernburger Straße. Die Milch kam denn auch, aber die Käufer blieben aus, und nachdem schließlich mehrere Tage lang ein gewisser saurer Milchton die ganze Bernburger-Straßen-Luft durchzogen hatte, sah man sich genötigt, eines Nachts den ganzen Vorrat in die damals noch in Blüte stehenden Berliner Rinnen ablaufen zu lassen.
    Das Vermögen der Frau Stirner war hin.
    Aber die »Sieben« waren nicht die Leute, sich solche Bagatellen zu Gemüte zu nehmen. Ihre gute Laune blieb dieselbe, vor allem ihr Übermut, der nur in Form und Gegenstand beständig wechselte. Sie trieben dergleichen sportsmäßig, und Schraubereien standen ihnen obenan. In Stehelys Konditorei hatten sich damals ein paar Korrespondenten eingenistet, die mehrere süddeutsche Blätter von Klang und Namen mit politischen Neuigkeiten aus der ministeriellen Obersphäre zu versorgen hatten. Über einen dieser Korrespondenten hatten sich die »Sieben« aus einem vielleicht stichhaltigen, aber noch wahrscheinlicher nicht stichhaltigen Grunde geärgert und beschlossen deshalb, ihn »hineinzulegen«. Jeden Tag, solange diese Verschwörung anhielt, erschienen Faucher, Saint Paul und Edgar Bauer an einem bestimmten Tische der Stehelyschen Konditorei, vorgeblich um zu lesen, in Wahrheit aber, um eine gefälschte politische Debatte zu führen und grotesk erfundene Nachrichten in Kurs zu setzen. »Heinrich Arnim ist seit kurzem fest entschlossen…«, und nun kam etwas so Stupendes, daß der am Nachbartisch sitzende Korrespondent notwendig die Ohren spitzen mußte. Drei Tage später hatten die Verschworenen den Hochgenuß, den ganzen Galimathias in der einen oder andern Zeitung wiederzufinden.
    Ein andres Opfer der »Sieben Hippelschen« war der Schriftsteller Saß, der sogenannte »lange Saß«. Er maß sechs Fuß und befleißigte sich einer dieser Größe fast gleichkommenden Feierlichkeit, woraufhin er sich natürlich als komische Figur behandelt sah. Immer neue Späße variierten das alte Thema vom Gulliver, das aber erst Anfang der fünfziger Jahre, wo die Hippelschen schon nicht mehr existierten oder doch nach allen Seiten hin zerstoben und verflogen waren, in einem illustrierten Witzblatte seinen glorreichen Abschluß fand. Der lange Saß war damals politischer Korrespondent in Paris, und das Blatt, ich glaube der Kladderadatsch, das sich mit ihm beschäftigte, zeigte zunächst, hochaufragend, die beiden Türme von Notre-Dame. Auf einem dieser Türme aber stand niemand Geringeres als Louis Napoleon selbst, unwirsch und halb verlegen, weil ihm die Zigarre ausgegangen war. Indessen Hülfe war nah. Der mit seinem Kopf gerade bis an die Balustrade reichende Saß kam rauchend vorüber und wurde denn auch von Louis Napoleon herangerufen und kameradschaftlich um Feuer angesprochen.
    In diesem Bilde, das bei Saß’ Popularität sein Publikum fand, lebte – sozusagen von der »milderen Observanz« – ganz schon jene moderne Form des Witzes, wie sie im wesentlichen noch jetzt in Gültigkeit ist; der vormärzliche Witz aber war viel,

Weitere Kostenlose Bücher