Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
wieder. Ich war damals in der Schachtschen Apotheke, Ecke der Friedrichs- und Mittelstraße. Eines Abends, auf dem Heimwege, sah ich mich, keine dreißig Schritt mehr von meiner Wohnung entfernt, von sechs, acht Strolchen, die sofort einen Kreis um mich schlossen, angebettelt. Alle hatten die Rockkragen in die Höhe geklappt und die Mützen und Hüte tief ‘runtergezogen; ein paar humpelten, einer schien bucklig oder wenigstens mit sehr hoher Schulter. Dieser trat an mich heran, streckte mit gemachter Ängstlichkeit seine hohle Hand gegen mich aus und sagte: »Herr Jraf, bloß Zweigroschen.« Es war Faucher. Ich hätte nun sagen können: »Faucher, seien Sie nicht verrückt.« Aber das wäre Spielverderberei gewesen und hätte vielleicht auch zu sonderbaren Auseinandersetzungen geführt. Ich suchte also nach dem geforderten Geldstück, und weil ich ein solches leider nicht finden konnte, mußte ich mich mit einem Viergroschenstück loslösen, wofür ich unter devoten Bücklingen und heitrem Gejohle im Hintergrunde belobt wurde. Bald darauf erfuhr ich, daß die Raubzüge dieser Bande mit einer Art Regelmäßigkeit unternommen würden, immer in nächster Nähe der Linden, und daß sie’s dabei bis auf mehrere Taler brächten, die dann sofort im Kap-Keller – zweites Haus in der Friedrichsstraße – verkneipt wurden.
Aus welchen Elementen sich die Bande zusammensetzte, hab’ ich nie sicher in Erfahrung gebracht. Wahrscheinlich fanden sie sich zufällig zusammen, vielleicht aber waren es auch einige der berühmten »Sieben Weisen aus dem Hippelschen Keller«, die den damaligen eigentlichen Umgang Fauchers bildeten. Alle Sieben haben eine Rolle gespielt. Es waren, wenn ich recht berichtet bin, die folgenden: Bruno Bauer, Edgar Bauer, Ludwig Buhl, Max Stirner, Leutnant St. Paul und Leutnant Techow. Der siebente war eben Faucher selbst.
Zu diesen hier Genannten, mit Ausnahme von Buhl und Stirner, bin ich zu verschiedenen Zeiten in wenigstens lose Beziehungen getreten. Bruno Bauer sah ich, zwanzig Jahre später, als er das Wagenersche Konversationslexikon schrieb, allwöchentlich einmal auf der Kreuzzeitungs-Druckerei, wenn er in seinen Schmierstiefeln, mit Knotenstock und Schirmmütze, von Rixdorf nach Berlin hereinkam. In einem späteren Kapitel erzähl’ ich davon. Seine Bedeutung steht fest; mein Geschmack aber war er offen gestanden nicht . Mit seinem Bruder Edgar war ich in den fünfziger Jahren in England oft zusammen. Er stand wohl, in der Hauptsache, dem älteren Bruder um ein erhebliches nach, war ihm aber an Witz und glücklichen Einfällen überlegen. Nur ein Beispiel stehe hier für viele. Gleich nach dem Regierungsantritt König Wilhelms war auch Edgar Bauer, wie so viele Flüchtlinge, von London nach Berlin zurückgekehrt, sah sich aber hier alsbald in Preßprozesse verwickelt und wurde durch den Landgerichtsrat Pielchen verurteilt. Er verkündete dies seinen Lesern in einem Leitartikel, der, wie folgt, anhob: »Wie den Individuen, so werden auch den Völkern alle Gnadengeschenke nach einer besonderen Skala zugemessen – England hatte vor dem seinen Peel, Preußen hat jetzt sein Pielchen.« Über meine Begegnung mit Saint Paul habe ich in meinem Scherenberg-Buche ziemlich ausführlich berichtet, und Leutnant Techow lernte ich im Herbst achtundvierzig kennen, als er als Festungsgefangener oder vielleicht auch erst in Untersuchungshaft in den Kasematten von Spandau saß. Der Tag ist mir unvergeßlich. Ein Verwandter von mir, ein in der Pépinière lebender Bataillonsarzt, forderte mich zu dieser Techow-Expedition auf, deren eigentlicher Unternehmer Du Bois-Reymond war. Dieser hat sich auch späterhin, als er längst eine Weltberühmtheit geworden, in einer schönen und mich erschütternden Weise als Freund Techows bekannt und seinen Fürsprecher gemacht. Leider ohne Erfolg. Ich sage »leider«, aber nur aus menschlicher Mitempfindung heraus, während ich im übrigen der kriegsministeriellen Entscheidung, die Techow für immer vom vaterländischen Boden ausschloß, zustimme. Es gibt eben Dinge, Gott sei Dank nicht oft, bei denen nicht gespaßt werden darf und wo der ausnahmsweise wirkliche Ernst der Sache – das meiste ist bloß Larifari – das Gemütlichsein verbietet… Wir trafen also nachmittag bei Techow ein. Die Kasematte, drin er saß, glich einem in einen Eisenbahndamm eingeschnittenen Kellerraum, hatte aber nichts sonderlich Bedrückliches. Techow war lebhaft, quick, elastisch. Was gesprochen
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