Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
aber brachen in Jubel aus und nahmen eine halbe Stunde später die verlorengegangene Höhenstellung wieder.
Dieser Tag führte unseren Kniehase, wenn nicht gleich, so doch im regelrechten Lauf der Ereignisse, nach dem alten Wendendorfe, dessen Obrigkeit er jetzt bildete. Denn der Gefreite, den er so mutig aus dem feindlichen Feuer getragen hatte, war niemand anderes als unser Freund aus dem Hohen-Vietzer Kruge her: Peter Kümmeritz. Invalide geworden, erhielt er seinen Abschied; zwei Jahre später aber kam der Frieden, und die ganze Rheinarmee kehrte in ihre Garnisonen zurück. Mit ihr das Regiment Möllendorf.
Es war nach der Ernte, anno 95; die Sommerfäden flogen schon durch die Luft, als an einem jener klaren Tage, wie sie der September bringt, an Miekleys Mühle vorbei ein breitschultriger Mann in seines Königs Rock in die Hohen-Vietzer Dorfstraße einbog. Auf seiner Brust blitzten ein paar Medaillen, und wer sich auf Litzen und Rabatten verstand, der sah, daß es ein Chargierter vom Regiment Möllendorf war. Es war aber kein anderer als unser Unteroffizier Kniehase. Als er, gefolgt von der halben Dorfjugend, die scheubeflissen auf seine Fragen Antwort gab, in das Gehöft seines ehemaligen Gefreiten eintreten wollte, trat ihm an der Schwelle des Hauses nicht Peter Kümmeritz in Person, wohl aber Trude Kümmeritz, seine Schwester, entgegen. Nach allem, was folgte, muß angenommen werden, daß diese Stellvertretung den Wünschen unseres Kniehase nicht zuwiderlief, denn ehe er nach Wochenfrist den gastlichen Kümmeritzschen Hof verließ, um zu seinem Regiment zu retournieren, hatte er nicht nur mit Peter die Kriegskameradschaft erneuert, sondern auch mit Trude sich zu ehelicher Kameradschaft versprochen. Er ging überhaupt nur in seine Garnison zurück, um aus dem Urlaub einen Abschied zu machen, demnächst aber einen Neu-Barnimschen Hof zu kaufen und seine Trude aus dem Wendendorf in das Pfälzerdorf hinüberzuziehen. Es kam aber umgekehrt. Eine Hohen-Vietzer Stelle wurde unerwartet frei, die Truhen der Häuser Kümmeritz und Kniehase steuerten zusammen, und als im Sommer 96 der Raps blühte und sein Duft auf allen Feldern lag, da stieg ein Hochzeitszug den Kirchenhügel hinan, die Glocken läuteten, und die Musikanten bliesen, bis das Brautpaar über die Schwelle war. Kniehase trug seine Uniform, Trude die reiche wendische Tracht, und alt und jung waren einig, daß Hohen-Vietz ein solches Brautpaar seit Menschengedenken nicht gesehen habe. Seit Menschengedenken kein stattlicheres, aber auch kein glücklicheres Paar. Vor allen Dingen kein besseres. Neid und üble Nachrede schwiegen, und wenn anfangs dieser und jener klagte, »daß nun ein Pfälzer ins Dorf gekommen sei«, so verstummte diese Klage doch bald, als sie den Pfälzer kennenlernten. Wo es einen Rat galt, da war er da, und wo es eine Tat galt, da war er zweimal da. Er verstand sich aufs Schreiben und Eingabenmachen, aufs Rechnen und Registrieren, und als anno 1800 der alte Schulze Wendelin Pyterke starb, der seit dem Siebenjährigen Krieg volle vierundzwanzig Jahre im Amte und nach der Kunersdorfer Schlacht, als die Russen kamen, die Rettung des Dorfes gewesen war, da wählten sie den Kniehase zu ihrem Schulzen, ohne sich ums Herkommen zu kümmern, das nur zwei oder drei unter ihnen gewahrt wissen wollten. Berndt von Vitzewitz aber sagte: »Meine Bauern waren immer gescheit, doch für so gescheit hab’ ich sie all mein Lebtag nicht gehalten.«
Kniehase hatte keinen Feind; selbst die Forstackers Leute sprachen gut von ihm. Im Herrenhause hieß es: »Er ist ein tüchtiger Mann«, in der Mühle hieß es: »Er ist ein frommer Mann«, Peter Kümmeritz aber mit immer wachsendem Respekt sah zu seinem Schwager auf, als ob er den Tag von Kaiserslautern durch eigenes Eingreifen entschieden habe. Er schloß dann wohl ab: »Ich schulde ihm mein Leben, und meine Schwester schuldet ihm ihr Glück.«
Die Kniehases waren ein glückliches Paar; aber kein Glück ist vollkommen: sie blieben kinderlos. Da traf es sich, daß auch eine Tochter ins Haus kam, kein eigenes Kind und doch geliebt wie ein solches.
Es war um Weihnachten 1804, zwei Jahre früher, als die Frau von Vitzewitz starb, da kam ein »starker Mann« ins Dorf, einer von jenen fahrenden Künstlern, die zunächst in rotem Trikot mit fünf großen Kugeln spielen und hinterher ein Taubenpaar aus einem Schubfach auffliegen lassen, in das sie vorher eine Uhr oder ein Taschentuch gelegt haben. Der starke
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