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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Eindruck von Behagen und Stille. Dicke Teppiche lagen ausgebreitet, und ein feines Parfüm wie von Ambra war in der Luft. Er schien von einem Lämpchen zu kommen, das auf einem Ecktisch stand und mit einer kleinen blauen Flamme brannte. Darüber hing der Gundolskirchensche Lieblingsheilige, der heilige Florian.
    Es schien, daß der Pater eben aufbrechen wollte. Die Gräfin hielt ihn aber zurück und sagte: »Nein, lieber Freund, Sie müssen noch bleiben und den Tee mit uns nehmen. Es liegt mir daran. Und doch andererseits…«
    Er verbeugte sich, um seine Zustimmung auszudrücken.
    »Und doch andererseits«, wiederholte die Gräfin, »bin ich in einiger Sorge vor Ihrer Kritik. Es entgeht Ihnen nichts, und ich fürchte, Sie werden allerlei sehen und hören müssen, was Sie, das mindeste zu sagen, nur wenig angenehm berühren kann. Denn um was wird es sich handeln? Um Rivalitäten und Theaterintrigen. Aber ich konnt’ es meinem Bruder, dem Grafen, nicht abschlagen und mocht’ auch nicht.«
    Feßler schien hier unterbrechen zu wollen, aber die Gräfin fuhr fort: »Und dann ist sie Lutheranerin oder Calvinistin, oder was weiß ich, und wird also sehr wahrscheinlich an der ewig wiederkehrenden protestantischen Ungezogenheit kranken, ihre ketzerischen Naivitäten in einem Tone vorzutragen, als ob ein Appell unmöglich sei.«
    »Lassen wir sie, meine Gnädigste«, sagte der Pater. »Ich für meine Person habe nichts lieber als diesen Ton und vergnüge mich immer wieder, die verlorengegangenen oder doch in Abfall geratenen Kinder unserer Kirche von kirchlichen Dingen reden zu hören, von Dingen also, die sie nicht verstehen und doch auch wieder sehr gut verstehen. Es ist immer unterhaltlich und lehrreich. Und am unterhaltlichsten und lehrreichsten erscheinen mir allemal diese Preußen in ihrer rechthaberischen Ausgesprochenheit und ihrem ehrlichen Glauben an eine preußische Verheißung mit dem alten Fritzen als Gott oder wenigstens als Nationalheiligen. Ich habe viel gegen sie zu sagen und nehme sie, wie sich von selbst versteht, als unsere geschworenen und allerechtesten Feinde, zugleich aber doch als solche, denen gegenüber mir das sonst so schwierige ›Liebet eure Feinde‹ nie sonderlich schwer geworden ist. Sie haben etwas Anregendes und überhaupt manches von uns voraus. Und darunter sogar Großes. –
    »Und das wäre?«
    »Beispielsweise die Freiheit. Nicht die politische, die nicht viel, und auch nicht die soziale, die noch weniger bedeutet, aber die innerliche. Sie prüfen die Dinge, sind kritisch und leben selbständig aus sich heraus. Und das ist ein Heilsweg; ja, lassen Sie mich hinzusetzen: unter richtiger Voraussetzung der einzige Weg, der zum Heile führt.«
    Die Gräfin sah ihn verwundert an, Feßler aber fuhr fort: »Sie sind überrascht, gnädigste Gräfin, und doch bin ich Ihrer schließlichen Zustimmung sicher. Es gibt eine höchste Lebensform, und diese höchste Lebensform heißt: ›in Freiheit zu dienen‹. Das Dienen aus bloßem Zwang heraus ist tot, und erst aus einem selbstgewollten, weil als unerläßlich erkannten Verzicht auf die Freiheit erblüht uns der echte, welterlösende Glaube. Aber um auf die Freiheit verzichten zu können, dazu muß man sie vorher haben. Sie haben ist das erste, sich ihrer begeben das zweite. Den ersten Schritt hat der Protestantismus getan. Vermag er auch den zweiten Schritt zu tun, den Schritt zu Rückkehr und freiwilliger Unterordnung unter das Gesetz, so haben wir in ihm das Ideal. In hoc signo vinces. Da liegt die Zukunft, das Geheimnis einer höher potenzierten Welt.«
    Als die Gräfin eben antworten wollte, wurde der als Portiere dienende Teppich zurückgeschlagen, und die junge Dame, die zu diesem Gespräche wenigstens mittelbar die Veranlassung gegeben hatte, trat ein und schritt rasch und mit einem leisen Anfluge von Verlegenheit auf die Gräfin zu. Diese hatte sich erhoben und bot ihr die Hand, die die junge Schauspielerin mit Devotion küßte. Dann verneigte sie sich gegen den Geistlichen, der sich mit erhoben hatte, während die Gräfin vorstellt: »Pater Feßler – Fräulein Franziska Franz.«
    »Ich erwarte seit einer halben Stunde schon meinen Bruder, den Grafen«, fuhr die Gräfin fort, während sie die junge Dame neben sich einlud. »Er ist sonst die Pünktlichkeit selbst. Bis zu seinem Erscheinen, liebes Fräulein, werden wir uns also mit Pater Feßler einzurichten haben. Glücklicherweise sind Sie lange genug in Wien, um zu wissen, daß die

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