Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
beurlaubt und bitte dich, über mich zu verfügen.«
»Obligiert, Egon. Aber es ist alles im Gange, die Kotillonüberraschungen mit eingeschlossen, und das eine, was noch fehlt, muß ich selber beschaffen, oder sag’ ich lieber, in Ordnung bringen. Eben deshalb siehst du mich bereits gestiefelt und gespornt. Es handelt sich um die reizende Franz, die heute, Pardon, wenn ich etwas übertreibe, die Königin unseres Festes sein soll.«
»Sagen wir die Nouveauté.«
»Gut, auch das. ›Nouveauté‹; nicht übel. Und um diese Nouveauté soll ich kommen, weil es der unbedeutenden, kleinen Stiglmayr, die gerade so hausbacken ist wie ihr Name, beliebt hat, sich einen Katarrh anzuschaffen oder eine Migräne. Nun soll die Franz statt ihrer spielen. Lies. Es ist zum Rasendwerden. Du siehst mich auf dem Wege zu ihr. Es wird sich doch unter den zwanzig jungen und alten Damen irgendeine Vertretung finden lassen, ohne gerade die Franz für diese Rolle heranzuziehen. Wirklich, so mal à propos wie möglich! Denn gerade heute hatt’ ich vor, sie deiner Tante Judith vorzustellen, woran mir, offen gestanden, liegt. Den Rest überlass’ ich schließlich der Franz selbst, ihrer Klugheit und ihrer Anmut.«
»Anmut?«
»Ja, so sagt’ ich. Überrascht dich das Wort?«
»Einigermaßen. Um anmutig zu sein, ist sie nicht mehr jung genug. Es gibt eine Frauenanmut von vierzig, aber keine Mädchenanmut von sechsundzwanzig.«
»Du gehst höher hinauf, als die Galanterie gestattet, oder meinetwegen auch weiter zurück.«
»Und ich meinerseits fürchte nur, daß das Kirchenbuch noch weiter zurückgeht.«
»Oh, nichts davon. Es gibt nichts Gröblicheres als Kirchenbücher. Aber alt oder jung, ich habe sie gern und mag sie für mein Fest nicht entbehren, am wenigsten heut’. Scheitert alles, so muß sie noch nach der Vorstellung erscheinen. Das dumme Ding von Lustspiel, das gegeben wird, kann doch höchstens vier Akte haben, vielleicht nur drei; gegen neun ist alles aus, und das Fräulein hat noch vollauf Zeit zur Toilette.«
»Wird aber angegriffen sein.«
»Um desto besser. Ich habe das beobachtet. Unsere Theaterdamen sind nie reizender als unmittelbar nach dem Spiel. Sie haben dann noch etwas von dem künstlerischen Hochflug und sind doch zugleich leise fatiguiert von der Anstrengung. Dieser Kampf ist entzückend. Un peau languissant. Aber wem sag’ ich das?«
Egon wollte sich mit Rücksicht auf die Visite, die der Oheim noch vorhatte, von seinem Platz erheben, der alte Graf aber hielt ihn zurück und sagte:
»Noch ein Wort, ehe ich dich fortlasse. Du kennst Tante Judith besser als ich – Geschwister kennen sich eigentlich überhaupt nicht –, wogegen du des Vorzugs genießest, nur ihr Neffe zu sein, und so sage mir denn, glaubst du, daß wir der Tante die Franz plausibel machen oder, mit anderen Worten, daß ich ihr zumuten darf, sie bei nächster Gelegenheit in ihren petit cercle zu ziehen? Haben wir Chancen oder nicht? Judith ist im ganzen genommen ohne Standesvorurteile, was ich gerecht genug bin ihr als eine der wenigen Segnungen ihrer strengen Kirchlichkeit in Rechnung zu stellen. Jedenfalls bin ich mitunter überrascht, sie so zu sehen, wie sie ist. Aber eine Schauspielerin! Und nun gar noch eine solche! Ja, wenn es eine Tragödin wäre, Volumnia oder Arria oder mindestens die alte Galotti. Das Fach der Heldenmütter ist, wenn nicht geradezu sakrosankt, so doch immer mehr oder weniger zulässig, eine Respektabilitätsflagge, die das Fahrzeug deckt. Aber Liebhaberin, Soubrette! Soubrette, die reine Piratenflagge!«
»Doch wen soll sie rauben?«
»Vielleicht mich«, lachte der Oheim, und fuhr dann fort: »Es gibt keine Torheit, deren sie mich nicht für fähig hält. Sie würde schließlich jede verzeihen, aber die tollste hält sie für möglich. Sie sieht in mir einen ewigen Jüngling und beweist mir, daß mein Leben eine Kette von Jugendtorheiten sei, ja, sie hat sich, glaub’ ich, in den Kopf gesetzt, eine Jugendtorheit werde auch mein Leben beschließen. Zuletzt wär’ es nicht das Schlimmste. Jedenfalls gut ungarisch, und am Ende stirbt sich’s besser jugendlich als ältlich.«
In diesem Augenblick hörte man Militärmusik, und der alte Graf erhob sich. »Ein Uhr. Es ist höchste Zeit. Und nun mache der Tante drüben deinen Besuch und sondiere. Du mußt sehen, aus des Fräuleins Namen einigen Nutzen zu ziehen. ›Franziska Franz‹ – man kann kaum österreichischer aus der Taufe gehoben sein. Ist es nicht,
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