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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Widerspruchsvolle, daß an einem Hofe, der die Frauen als Frauen negierte, ebendiese Frauen doch herrschten, und zwar herrschten, ohne auch nur einen Augenblick auf ihre allerweiblichsten Eigenarten und Unarten verzichten zu müssen. Der Prinz hatte nur das Bedürfnis persönlichen Verschontbleibens; im übrigen tolerierte er alle den Sittenpunkt nicht ängstlich wägenden Lebens- und Umgangsformen, die ihm, weil einen unerschöpflichen Stoff für seine sarkastische Laune, ebendeshalb einen bevorzugten Gegenstand der Unterhaltung boten. Die Liebesintrige stand in Blüte; an unsere junge Gräfin aber knüpfte ihn neben manchem anderen auch die Wahrnehmung, daß sie, an Kühnheit der Anschauungen mit ihm wetteifernd, auf die Betätigung dieser Anschauungen verzichtete und keinen Augenblick dem Verdachte Nahrung gab, ihre Grundsätze nach ihrer Lebensbequemlichkeit gemodelt zu haben. Denn wie alle außerhalb des sittlichen Herkommens Stehende, barg auch der Prinz hinter dem Unglauben an einen reinen Wandel doch schließlich nur den im tiefsten ruhenden Respekt vor demselben. Unerschüttert in seinen Allgemeinanschauungen, sah er in der Gräfin »den Ausnahmefall, der ihm die Regel bestätigte«, und beglückwünschte sich, weit über landläufig-kleine Verhältnisse hinaus intimste Beziehungen zu einer Frau unterhalten zu dürfen, die, mit allen Vorzügen der weiblichen Natur ausgestattet, zugleich frei von allen Schwächen derselben war. Eine Spezialfreude gewährte ihm die Gräfin noch dadurch, daß sie für ihren Gemahl dieselbe heitere Kühle hatte wie für alle andern Mitglieder des Rheinsberger Hofes und die Frage nach der Fortdauer des Hauses Pudagla mit niegestörter Gleichgiltigkeit behandelte.
    Einer ihrer hervorstechendsten Züge war die Offenheit. Sie wußte, daß sie mehr sagen durfte als andere, und sie bediente sich dieses Vorrechts. Eine Mischung von Pikanterie und Grazie, über die sie Verfügung hatte, gestattete ihr Gewagtheiten, die vielleicht keinem anderen Mitgliede des Hofes mit gleicher Bereitwilligkeit verziehen worden wären; das eigentliche Geheimnis ihrer andauernden Gunst aber war, daß sie die verschiedenen Gebiete der Unterhaltung auch verschieden zu behandeln und genau zu unterscheiden wußte, wo Gewagtheiten allenfalls noch am Platze waren und wo nicht. Wenn ihre Offenheit groß war, so war ihre Klugheit doch noch größer. Das philosophische Gebiet, die Kirche, die Moral bildeten einen weiten, nirgends durch Schnurleinen eingeengten Tummelplatz, während die Politik bereits einzelne, das militärische Gebiet aber, weil mit den Eitelkeiten des Prinzen zusammenhängend, eine ganze Anzahl von mit »Défendu« bezeichnete Partien hatte. Dieser Unterschiede war sich die Gräfin jederzeit bewußt, und während sie vielleicht eben noch in Beurteilung einer voltairisch aufgefaßten Jeanne d’Arc bis an die Grenze des Möglichen gegangen war, unterließ sie doch nicht, bei diskursiver Behandlung irgendeiner prinzlichen Schlachtengroßtat sofort den Ton zu wechseln und an die Stelle unerschrockenster Behauptungen die allerloyalsten Huldigungen treten zu lassen. Im Darbringen solcher Huldigungen – sei es von ungefähr im Gespräch oder sei es vorbereitet in großen Festlichkeiten – war sie unerschöpflich, und wenn sich der Prinz selbst nach ebendieser Seite hin eines wohlverdienten Rufes erfreute, so zeigte sie sich mindestens als seine gelehrige Schülerin. Ihre vollkommene Gleichgiltigkeit gegen militärische Schaustellungen und kriegerische Aktionen besaß sie Kraft genug, hinter einem erheuchelten und deshalb um so lebhafter sich gebärdenden Interesse zu verbergen. Sie wußte, daß wer den Zweck wollte, auch die Mittel wollen mußte, und so waren denn die Prinzenschlachten ihrem Gedächtnisse bald sicherer eingeprägt als die Feste des christlichen Kalenders. Nie verging der sechste Mai, der Jahrestag der Prager Affaire, ohne irgendeine solenne Bezugnahme darauf. Da gab es immer neue Überraschungen: gestickte Teppiche mit dem Hradschin und der Moldaubrücke, samt vier Grenadiermützen in den Ecken; Tableaux vivants, in denen Mars und Minerva, sich überholt fühlend, vor der höheren Rheinsberger Gottheit ihr Knie beugten; Dialoge, ganze Stücke, mit Griechen- und Römerhelden, mit Myrmidonen und Legionen, die sich dann schließlich immer als Prinz Heinrich und das die Prager Höhen erstürmende Regiment Itzenplitz entpuppten.
    Sprach sich in diesem allen eine Kunst der Erfindung aus,

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