Sommer, Sonne, Ferienliebe - Fetenflirts und Fußballfieber: aus der Reihe Freche Mädchen – freche Bücher! (German Edition)
Nasi ist ein harter Brocken. Und er ist mindestens einen Kopf größer als ich. Seine Beine sind biegsam wie Weingummischlangen. Zum Glück hat er Schwierigkeiten, den Ball zu treffen, weil er zwar einen gemeinen Siegeswillen, aber gleichzeitig ein übles motorisches Problem hat: Er kann seine Füße nicht koordinieren. Die scheinen ein Eigenleben zu führen, dem er sich fügen muss. In seinen Fußballschuhen Größe 48 hampelt er um das runde Leder herum. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er dabei die Zunge in den Mundwinkel legt wie ein Erstklässler bei einer Schreibübung.
Was den Siegeswillen angeht, stehe ich ihm nicht nach. Aber ich habe den Vorteil, dass meine Beine mir gehorchen und genau das tun, was ihnen meine Schaltzentrale befiehlt. Und das ist in diesem Moment: den Fußball durch Nasis Beine kicken, um ihn herumlaufen und den Ball hinter ihm in Empfang nehmen. Zwischendurch bleibt noch Zeit, Nasi meinen Ellenbogen in die Hüfte zu rammen. Das ist nur gerecht, oder? Was nervt der mich auch so mit seinem Eiertanz, der mir die Sicht aufs Tor nimmt?
Nasis »Höäh?« im Rücken – seinen verdatterten Gesichtsausdruck habe ich vor Augen, ohne mich umzudrehen –, passe ich zu Philipp, der keine Schwierigkeiten hat, Vanessas halbherzige Manndeckung abzuschütteln und sich freizulaufen. Philipp nimmt den Ball im Flug mit der Picke und brettert ihn auf das Tor, das Wiebke wie ein Gorillamädchen im Käfig mit schwingenden Armen und Seitwärtshüpfern bewacht. Keine Chance für Wiebke: Sie fliegt mit dem Ball in das Tor, das wir links mit meinem Sweatshirt, rechts mit einem Backstein abgesteckt haben.
»Tooooor!« Ich werfe die Arme in die Luft, suche strahlend Philipps Blick. Mein Freund läuft auf mich zu, umarmt mich und wirbelt mich im Kreis herum. »Tor! Tor! Tor!«, schreien wir gemeinsam völlig von der Rolle, während Wiebke, den Ball vor die Brust geklemmt, immer noch im Gras liegt, Vanessa die Länge ihrer Fingernägel überprüft und Nasi von einer Sekunde auf die andere zum Vollinvaliden wird. Gerade noch stand er mit seinem unnachahmlich ratlosen Gesichtsausdruck da, nun fällt ihm offenbar ein, wie er das Ruder noch einmal herumreißen kann. Mit beiden Händen greift er sich an die Hüfte, kneift die Augen zusammen, verzieht den Mund zu einem stummen Schrei und lässt sich ins kurz geschorene Gras fallen. »Das zählt nicht! Lilly hat mich vorher gefoult!«, ruft der Hirni.
Mich packt die Wut. »Gar nicht wahr!«, schreie ich ihn an. »Das war Körperarbeit! Die ist erlaubt beim Fußball!«
Am Spielfeldrand steht mein Stiefbruder Valentin, die Digi-Cam auf uns gerichtet. Nun höre ich ihn wie einen professionellen Kommentator sagen: »Drei zu null führt der FC Lilly-Philipp gegen die Kickers Nasi-Vanessa. Es ist kein verdienter Sieg. Immer wieder fällt besonders Lilly Lang durch unsportliche Einlagen auf. Ein Tor, das so nicht gewertet werden wird, da bin ich sicher, und wieder einmal stellt sich die Frage: Sind die Kicker auf den Bildschirmen noch Vorbilder für unsere Jugend? Welchen Wert haben Fairness und Teamgeist bei diesen chaotischen Zuständen?«
»Was wird das? Das Wort zum Sonntag, oder was?«, schnauze ich ihn an. »Statt hier klugzuscheißen, hättest du lieber den Schiedsrichter geben sollen. Dann hättest du nämlich gesehen, dass es kein Foul war! Nasi hat eine Schwalbe hingelegt!«
»... und nun eskaliert die Situation auf dem Spielfeld. Lilly Lang, die sich schon mehrfach durch ihr aufbrausendes Temperament hervorgetan hat, greift die Presse an! Ist eine solche Spielerin noch tragbar für den Verein?«
Ich schüttele die Faust und setze zu einer Stellungnahme vor laufender Kamera an, aber da schlendert Vanessa ins Bild. »Ich hab keinen Bock mehr. Wir haben sowieso keine Chance gegen dich und Philipp«, gesteht sie.
Meine Wut verraucht. Gut, dass das endlich mal jemand ausspricht! Ich strahle meinen Freund Philipp an. Wir sind echt unschlagbar. Nicht nur beim Fußball.
Die warme Junisonne hat den Frühsommer rund um unser Jugendhotel »Villa Wildsee« explodieren lassen. Die Kirschbäume sind schwer von rosa Blütenwolken, die weißen Stämme der Birken leuchten zwischen den hell begrünten Ästen. Die Sonne knallt von einem babyblauen Himmel, an dem nur vereinzelte blütenweiße Schäfchenwolken entlangziehen, und lässt das Wandgemälde, das die Rückseite des Jugendhotels ziert, in allen Blautönen der Welt schimmern. Das Graffiti auf dieser Seite des Hauses
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