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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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von Herrn Pickwick eine geheime Sendung von großer Wichtigkeit und Zartheit anvertraut wird.
     
    »Herr Weller«, sagte Frau Craddock am Morgen dieses verhängnisvollen Tage«, »hier ist ein Brief für Sie.«
    »Das ist sehr kurios«, meinte Sam. »Ich fürchte fast, es muß etwas dahinter stecken, denn ich erinnere mich in meinem Kreis von Bekanntschaften keines Gentlemans, der imstande wäre, einen Brief zu schreiben.«
    »Vielleicht hat sich etwas Außerordentliches ereignet«, bemerkte Frau Craddock.
    »Das muß freilich etwas Außerordentliches sein, was einem meiner Freunde einen Brief ablocken könnte«, erwiderte Sam, zweifelhaft den Kopf schüttelnd. »Von meinem Vater kann der Brief auch nicht kommen«, fügte er hinzu, indem er die Handschrift betrachtete; »der druckt immer, weil er das Schreiben an den großen Anschlagzetteln vor den Buchhandlungen gelernt hat. Es ist mir ganz unerklärlich, woher der Brief wohl kommen mag.«
    Zugleich tat Sam, was sehr viele Leute tun, wenn sie über den Schreiber eines Billetts im Ungewissen sind, d.h. er beschaute das Siegel, sodann den vorderen, dann den hinteren Teil, hierauf die Seiten und endlich die Überschrift; für das allerletzte Auskunftsmittel mochte er wohl den Inhalt ansehen, um ganz gewiß aus der Sache klar zu werden.
    »Er ist auf goldgerandetes Papier geschrieben«, sagte Sam, als er ihn entfaltete, »und mit braunem Siegellack petschiert, und zwar mit der Spitze eines Türschlüssel«. Nun, wir wollen einmal sehen.«
    Und mit sehr ernstem Gesicht las Herr Weller langsam wie folgt:
    »Eine auserlesene Gesellschaft von den Bather-Lakaien empfiehlt sich Herrn Weller und bittet um das Vergnügen seiner Gesellschaft auf diesen Abend zu einem freundschaftlichen Schmause, bestehend aus einer gekochten Hammelkeule nebst dem übrigen Zubehör. Präzis halb zehn Uhr wird serviert.«
    Diese Einladung war in ein anderes Billett folgenden Inhalts eingeschlossen:
    »Herr John Smauker, der Gentleman, der das Vergnügen hatte, Herrn Weller vor einigen Tagen im Hause ihres gemeinschaftlichen Bekannten, des Herrn Bantam, kennenzulernen, gibt sich die Ehre, Herrn Weller die beifolgende Einladung zuzuschicken. Wenn Herr Weller Herrn John Smauker um neun Uhr abholen will, so wird Herr John Smauker das Vergnügen haben, Herrn Weller einzuführen.
    (Unterzeichnet) John Smauker.«
    Die Adresse lautete: »An Weller, Esquire bei Herrn Pickwick«, und in der linken Ecke stand als Instruktion für den Überbringer in Paranthese das Wort: »Dienerglocke«.
    »Gut«, sagte Sam? »das gefällt mir nicht übel. Ich habe mein Lebtag noch nie gehört, daß man eine gekochte Hammelkeule einen Schmaus genannt hätte. Wie würden sie wohl eine gebratene nennen?«
    Ohne sich jedoch lange den Kopf darüber zu zerbrechen, begab sich Sam sogleich zu Herrn Pickwick und bat ihn für den Abend um Urlaub, der gern bewilligt wurde. Mit dieser Erlaubnis und dem Hausschlüssel in der Tasche ging Sam Weller etwas vor der bestimmten Zeit aus und schlenderte gemächlich dem Queensquare zu, wo er kaum angelangt war, als er das Vergnügen hatte, Herrn John Smauker in einiger Entfernung seinen bepuderten Kopf an einen Laternenpfahl lehnen und aus einer Bernsteinröhre eine Zigarre rauchen zu sehen.
    »Guten Tag, wie geht’», Herr Weller?« rief ihm Herr John Smauker zu, mit der einen Hand graziös den Hut lüftend, während er ihm mit der andern freundlich und herablassend zuwinkte. »Wie geht’s, Sir?«
    »Recht ordentlich«, erwiderte Sam. »Und wie geht es Ihnen, lieber Kamerad?«
    »So so, la la«, sagte John Smauker.
    »Sie haben sich gewiß zu sehr angestrengt«, bemerkte Sam. »Ich fürchtete es immer; aber es führt zu nichts; Sie müssen Ihrem Eifer und Fleiß Zaum und Gebiß anlegen.«
    »Ach nein«, erwiderte Herr John Smauker, »es kommt nicht sowohl davon her, als von dem schlechten Wein; ich glaube, ich bin ein bißchen liederlich gewesen.«
    »Aha, geht’s da hinaus?« sagte Sam. »Das ist freilich eine schlimme Sache.«
    »Aber«, bemerkte Herr John Smauker, »Sie wissen ja, daß die Verführung immer so groß ist.«
    »Freilich«, erwiderte Sam.
    »Wenn man so mitten in den Wirbel der Gesellschaft hineingezogen wird, Herr Weller, – Sie wissen ja schon«, sagte Herr John Smauker mit einem Seufzer.
    »Ja, es ist schrecklich«, meinte Sam.
    »Aber es geht immer so«, sagte Herr John Smauker; »wenn das Schicksal einen ins öffentliche Leben und in eine öffentliche Stellung

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