Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Schwächen des Alters nachsichtig zu sein, und knüpfte mit der übrigen Gesellschaft ein allgemeines Gespräch an.
»Herrn Wardles Wohnung hat eine herrliche Lage«, sagte Herr Pickwick.
»Herrliche Lage!« wiederholten die Herren Snodgraß, Winkle und Tupman.
»Der Meinung bin ich auch«, sagte Herr Wardle.
»Es gibt kein besseres Ackerland in ganz Kent, Sir«, bemerkte der kleine Mann mit dem Borstorferapfel-Gesicht; »nein, Sir, ich kann es ganz bestimmt behaupten, Sir.«
Und darauf blickte er triumphierend umher, als ob ihm von jemand hartnäckig widersprochen worden wäre und er diesen doch zuletzt aus dem Felde geschlagen hätte.
»Es gibt kein besseres Ackerland in ganz Kent«, wiederholte er nach einer Pause.
»Ausgenommen Mullins’ Meadows«, bemerkte der dicke Mann in feierlichem Tone.
»Mullins’ Meadows?« rief der andere mit tiefer Verachtung.
»Allerdings, Mullins’ Meadows!« wiederholte der dicke Mann,
»Sehr gutes Land das«, fiel ein zweiter dicker Mann ein.
»Ja, in der Tat sehr gutes Land«, fügte ein dritter dicker Mann hinzu.
»Wie jedermann weiß«, sagte der umfangreiche Hauswirt.
Der kleine Mann mit dem Borstorferapfel-Gesicht blickte zweifelnd umher; doch als er sah, daß er die Minderheit bildete, nahm er eine mitleidige Miene an und sagte nichts weiter.
»Wovon spricht man?« fragte die alte Dame eine ihrer Enkelinnen mit sehr lauter Stimme; denn, wie die meisten schwerhörigen Leute, war sie der Meinung, nur in dieser Weise sich vernehmlich machen zu können,
»Vom Lande, Großmutter.«
»Vom Lande? Was denn? – es ist doch nicht etwa ein Unglück vorgefallen?«
»Nein, nein: Herr Miller sagte, daß unser Land besser wäre als Mullins’ Meadows.«
»Wie kann er etwas davon wissen?« erwiderte die alte Dame etwas ärgerlich. »Herr Miller ist ein eingebildeter Geck, das kannst du ihm sagen.«
Und ohne zu ahnen, daß ihr lautes Sprechen kein Flüstern gewesen, richtete sie sich in ihrem Lehnstuhl empor und warf dem Verbrecher mit dem Borstorferapfel-Gesicht giftige Blicke zu.
»O, lassen wir das!« sagte der besorgte Wirt, und versuchte, der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben. »Was meinen Sie zu einer Partie Whist, Herr Pickwick?«
»Ich ziehe dieses Spiel allen andern vor«, versetzte Herr Pickwick: »aber ich muß bitten, nur nicht gerade um meinetwillen.«
»O, ich versichere Sie, meine Mutter spielt es gleichfalls sehr gern«, sagte Herr Wardle; »nicht wahr, Mutter?«
Die alte Dame, die bei diesem Gegenstand weit weniger taub zu sein schien, als bei einem andern, bejahte.
»Joe, Joe!« rief der alte Herr – »Joe – der verwünschte – ach, da ist er ja! – Joe, die Spieltische!«
Der phlegmatische Jüngling stellte zwei Spieltische auf, den einen zum Pope Joan und den andern zum Whist . Die Whistspieler waren Herr Pickwick und die alte Dame, Herr Miller und einer der dicken Herren: die übrigen setzten sich zum Gesellschaftsspiel.
Am Whisttische herrschte jene Würde und Stille, die den Namen des Spiels rechtfertigen soll. Ist es doch eigentlich ein feierliche« Beginnen, dem nach unserer Meinung der unehrwürdige und herabwürdigende Name »Spiel« gar nicht beigelegt werden sollte. Bei dem Rundspiel dagegen an dem andern Tische ging es so laut und lustig her, daß Herr Miller in seiner Aufmerksamkeit gestört wurde und mehrere Fehler machte, die in so hohem Grade den Zorn des dicken Herrn erregten und in gleichem Maße die gute Laune der alten Dame weckten.
»Da!« sagte Herr Miller mit einem triumphierenden Blick, als er eben einen Trick machte, »das hätte, wie ich mir schmeichle, gar nicht besser gespielt werden können – es war nicht möglich, noch einen Trick mehr zu machen.«
»Miller hätte den Buben stechen sollen, nicht wahr, Sir?« sagte die alte Dame.
Herr Pickwick nickte bejahend.
»Hätte ich sollen?« fragte der Unglückliche mit einem triumphierenden Blick auf seinen Mitspieler.
»Allerdings hätten Sie sollen, Sir!« sagte der dicke Herr in zurechtweisendem Tone.
»Ich bedaure sehr«, erwiderte der gedemütigte Miller.
»Bin es bei Ihnen schon gewohnt«, brummte der dicke Herr.
»Zwei Honneurs – machen uns acht –«, sagte Herr Pickwick.
»Können Sie den Trick machen?« fragte die alte Dame.
»Jawohl«, versetzte Herr Pickwick. »Double, simple – und den Rubber!«
»Solches Glück ist mir noch nicht vorgekommen!« rief Herr Miller.
»Und mir sind nie so schlechte Karten in die Hände gekommen«,
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