Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Umständen, besonders aber auf einem einsamen Feldwege, wo kein Beistand zu erwarten war.
»Was soll ich nur machen?« rief Herr Winkle, nachdem er seine Experimente noch eine geraume Zeit vergeblich fortgesetzt hatte; »ich kann dem Bieste gar nicht beikommen.«
»Sie werden wohl am besten tun, es zu führen, bis wir an einen Schlagbaum gelangen«, rief ihm Herr Pickwick zu.
»Aber es geht nicht mit mir«, rief Herr Winkle zurück. »Kommen Sie doch und halten Sie es.«
Herr Pickwick war die Güte und Gefälligkeit selbst: er warf also seinem Pferde die Zügel auf den Rücken, stieg vom Bocke und eilte, Herrn Snodgraß und Herrn Tupman im Wagen zurücklassend, seinem armen Gefährten zu Hilfe.
Kaum sah das Pferd Herrn Pickwick mit der Peitsche in der Hand herankommen, da wandelte es seine vorher im Kreis sich drehende Bewegung in eine so entschieden rückläufige, daß es Herrn Winkle, der immer noch das Ende der Zügel festhielt, fast im Trabe mit sich fortriß. – Herr Pickwick eilte, ihm beizustehen: doch je schneller dieser vorwärts lief, desto schneller ging das Pferd rückwärts. Es scharrte dabei mit den Füßen, wühlte den Staub auf, und endlich mußte Herr Winkle, dem die Arme fast ausgerissen wurden, die Zügel fahren lassen. Das Pferd stutzte, schüttelte den Kopf, machte rechtsum, trabte ruhig nach Rochester zurück und überließ es Herrn Winkle und Herrn Pickwick, sich gegenseitig in stummer Bestürzung anzustarren. Ein rasselndes Geräusch in einer kleinen Entfernung erregte jetzt ihre Aufmerksamkeit. Sie blickten auf.
»Gott steh mir bei!« rief der mit allen Ängsten ringende Herr Pickwick aus; »da geht auch das andere Pferd durch.«
Es war nur zu wahr. Das sich selbst überlassene Tier war durch das Geräusch erschreckt worden. Was darauf geschah, läßt sich leicht vermuten. Es jagte mit dem Wagen davon. Herr Tupman sprang in die Hecke und Herr Snodgraß folgte seinem Beispiel, worauf das Pferd den Wagen an einem Brückengeländer zerschmetterte, so daß die Räder aus den Achsen fielen und der Kutschkasten von dem Bock getrennt wurden. Endlich blieb es stehen und betrachtete gelassen die Verheerung, die es angerichtet hatte.
Es war jetzt die erste Sorge Herrn Pickwicks und Herrn Winkles, ihren unglücklichen Freunden beizuspringen, wobei sie sich zu ihrer großen Beruhigung überzeugten, daß sie außer einigen Rissen an ihren Kleidern und Ritzungen der Haut von den Dorngesträuchen keinen weiteren Schaden gelitten hatten. Das nächste, was nun zu tun blieb, war, das Pferd aus seinem Geschirr zu entwirren. – Endlich war diese komplizierte Aufgabe erledigt, und nun gingen sie langsam weiter, das Pferd mit sich führend, und überließen den Wagen seinem Schicksal.
Nach Verlauf von einer Stunde erreichten sie ein kleines Wirtshaus, vor dem zwei Ulmen, eine Krippe und ein Pfahl mit einem Schilde standen: hinter demselben befand sich ein kleines, von wilden Hecken umgebenes Feld und zur Seite ein Küchengarten; baufällige Scheunen und Außenbauten lagen in seltsamer Verwirrung umher. In dem Garten arbeitete ein rotköpfiger Mann, dem Herr Pickwick zurief:
»Heda! holla!«
Der Rotkopf richtete sich empor, hielt die Hand über die Augen und starrte Herrn Pickwick und seine Gefährten eine geraume Weile gleichgültig an.
»Holla!« wiederholte Herr Pickwick.
»Holla!« war die Antwort des Rotkopfs.
»Wie weit ist es wohl bis nach Dingley Dell?«
»Gute sieben Meilen.«
»Ist der Weg gut?«
»Nein, schlecht.«
Nach dieser kurzen Antwort fing der rotköpfige Mann, der nun seine Neugier hinlänglich befriedigt zu haben schien, wieder an zu arbeiten.
»Wir möchten gerne dieses Pferd hier einstellen – ich denke, das wird wohl angehen?« sagte Herr Pickwick.
»Möchtet das Pferd hier einstellen – so?« wiederholte der Rotkopf, sich auf seinen Spaten stützend.
»Freilich«, erwiderte Herr Pickwick, der sich unterdessen, das Tier an der Hand, der Gartenhecke genähert hatte.
»Frau!« rief der Rotkopf, aus dem Garten tretend, und das Pferd scharf in das Auge fassend: »Frau!«
Eine große, knöcherne Frau in einer groben blauen Jacke, deren Taille einen oder zwei Zoll unter den Achselgruben saß, trat zu ihm hinaus.
»Können wir wohl dieses Pferd hier unterbringen, gute Frau?« fragte Herr Tupman, indem er sich ihr näherte und seinen schmeichelndsten Ton annahm.
Die Frau betrachtete die Reisenden mißtrauisch, und der Rotkopf flüsterte ihr etwas in das Ohr.
»Nä,«
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