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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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das schwerste Leid im Leben zugefügt und ihr in der Tat das Herz fast gebrochen hätte, daß es jedoch Gott gefallen habe, ihr Kraft zu verleihen, auch das zu tragen, und man möge den Sohn in ihrer Anwesenheit doch ja nicht wieder erwähnen.
    Sie hat eine große Menge Hausarme, und kehrt sie sonnabends vom Markt zurück, so findet auf dem Hausflur eine Versammlung von alten Männern und Frauen statt, die auf ihre Wochengabe warten. Ihr Name steht auf allen Beitragslisten für wohltätige Zwecke stets obenan, und ihre Beisteuer für die Winterfeuerungs- und Suppenverteilungsgesellschaft ist immer die reichlichste. Sie unterschrieb zwanzig Pfund für den Bau der Orgel in unserer Pfarrkirche und war am ersten Sonntag, als die Kinder dazu sangen, so überwältigt von ihren Gefühlen, daß sie sich von der Kirchenstuhlschließerin hinausführen lassen mußte.
    Ihr Erscheinen in der Kirche ist jeden Sonntag das Signal zu einigem Geräusch im Seitengang, denn sämtliche armen Leute erheben sich und verbeugen sich und knicksen, bis die alte Dame von der Schließerin in ihren Kirchstuhl ehrfurchtsvoll hineingeknickst und die Tür hinter ihr wieder verschlossen ist. Ebenso geht es zu, wenn sie aus der Kirche mit einer Nachbarfamilie nach Hause geht und auf dem ganzen Weg von der Predigt spricht, nachdem sie die Unterredung ohne Ausnahme damit begonnen hat, daß sie den jüngsten Knaben nach dem Texte gefragt.
    So verläuft das Leben der alten Dame, nur daß sie alljährlich einen kleinen Ausflug an die Seeküste macht und dort einige Zeit ein stilles Häuschen bewohnt. Ihr Leben ist schon viele Jahre so hingegangen, und sein Lauf muß bald das Ende erreichen, dem sie mit furchtloser Ruhe entgegensieht. Sie hat alles zu hoffen und nichts zu fürchten.
    Ganz anders ist einer der nächsten Nachbarn der alten Dame, der sich in unserm Kirchspiel sehr hervorgetan hat. Er ist ein alter Seeoffizier auf Halbsold, und sein ungestümes und rücksichtsloses Benehmen stört die Hausordnung der alten Dame nicht wenig. Er läßt sich’s nicht abgewöhnen, Zigarren auf dem Hof vor dem Hause zu rauchen, und hebt, wenn er etwas dazu trinken will – was keineswegs selten der Fall ist – mit seinem Spazierstock den Türklopfer der alten Dame auf und bittet, ihm ein Glas Bier herauszureichen. Weiter ist er ein Tausendkünstler, oder wie er selbst sagt, »ein echter Robinson Crusoe«, und nichts bereitet ihm größeres Vergnügen, als Experimente mit Dingen zu machen, die der alten Dame gehören.
    Eines Morgens stand er beizeiten auf und pflanzte zu ihrem grenzenlosen Erstaunen auf alle Beete ihres Gartens vor dem Hause Ringelblumen in voller Blüte. Sie meinte wirklich, als sie aufgestanden war und aus dem Fenster schaute, die Blumen seien über Nacht wunderbarerweise aus der Erde hervorgeschossen. Ein anderes Mal nahm er ihre acht Tage gehende Uhr, unter dem Vorwand, sie reinigen zu wollen, ganz auseinander und setzte dann das Werk auf eine bis dahin unbekannte Weise so wundervoll wieder zusammen, daß der große Zeiger seitdem nichts getan hat, als um den kleinen in verkehrter Richtung herumzulaufen.
    Hierauf kam es ihm in den Sinn, Seidenwürmer zu ziehen, und er brachte sie in kleinen Papiertüten täglich mehrere Male zu der alten Dame, um sie ihr zu zeigen, und verlor fast bei jedem Besuch ein paar von den Tierchen. Die Folge war, daß eines Morgens ein recht tüchtiger Seidenwurm auf der Treppe gefunden wurde. Er kroch hinauf, wahrscheinlich in der Absicht, sieh nach seinen guten Freunden zu erkundigen; denn bei weiterem Nachsuchen wurde die Entdeckung gemacht, daß sich fast in allen Räumen des Hauses bereits einige seiner Geschlechtsgenossen eingebürgert hatten. Die alte Dame reiste in Verzweiflung an die Seeküste, und während ihrer Abwesenheit machte der Kapitän an ihrer messingnen Haustürplatte so erfolgreiche Polierversuche mit ätzenden Sachen, daß er den eingegrabenen Namen fast gänzlich austilgte.
    Dies alles ist jedoch noch nichts gegen sein rebellisches, hitzköpfiges Benehmen in öffentlichen Angelegenheiten. Er besucht jede Kirchspielversammlung, tritt beständig gegen die bestehenden Autoritäten und als Ankläger der Ruchlosigkeit der Kirchenvorsteher auf, beginnt Streitigkeiten über gesetzliche Bestimmungen mit dem Kirchspielschreiber, läßt den Steuerboten so oft unverrichtetersache wieder umkehren, bis der Mann erklärt, nicht wieder zu ihm gehen zu wollen, und schickt dann das Geld durch die Post, tadelt

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