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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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jeden Sonntag die Predigt, erklärt laut, daß sich der Organist seines Spiels schämen müsse, und erbietet sich zu jeder Wette, die Psalmen besser singen zu wollen als sämtliche Kinder zusammengenommen – kurzum, er verursacht soviel Unruhe und Aufruhr, wie nur möglich ist. Das Schlimmste aber ist, daß er sich fortwährend bemüht, die alte Dame, weil er eine so große Achtung vor ihr hat, für seine Ansichten zu gewinnen, und deshalb mit seinem Zeitungsblatt in der Hand täglich ihr Wohnzimmer belagert und stundenlang heftig politisiert. Im Grunde seines Herzens ist er allerdings ein menschenfreundlicher, biederer alter Kauz und harmoniert auch mit der alten Dame im ganzen sehr gut, obgleich er sie oft genug ein wenig ärgert, und ist ihr Ärger verraucht, so lacht sie wie alle anderen Leute über seine Extravaganzen.

Die vier Schwestern
    In der Reihe, in der die Häuser der alten Dame und ihres unruhigen Nachbars stehen, wohnt eine größere Anzahl von Originalen als im ganzen übrigen Kirchspiel. Wir wählen davon noch einige zur Betrachtung aus.
    Die vier Miss Willis siedelten sich vor dreizehn Jahren bei uns an. Es ist höchst betrüblich, daß das alte Sprichwort: »Zeit und Ebbe und Flut warten auf niemand« gleiche Anwendung auf den schöneren Teil der Schöpfung findet, und gern würden wir es verschweigen, daß die vier Miss Willis sogar vor dreizehn Jahren keineswegs jung genannt werden konnten. Allein, unsere Pflicht als getreuer Kirchspielchronist überwiegt jede andere Rücksicht, und wir können nicht umhin, zu sagen, daß die Autoritäten in Heiratsangelegenheiten vor dreizehn Jahren meinten, daß sich die jüngste Miss Willis in einer sehr prekären Lebensperiode befände, während sie die älteste Schwester als über alle menschliche Hoffnung hinaus gänzlich aufgaben. – Die vier Miss Willis mieteten ein Haus. Es wurde von oben bis unten neu bemalt und tapeziert und überall verziert. Die bei der neuen Ausstattung beschäftigten Handwerker teilten den Dienstmägden in der Reihe vertraulich mit, wie prachtvoll die Miss Willis alles und jedes einrichten ließen; die Dienstmägde teilten alles ihren »Missises« mit, die es ihren Freundinnen wieder erzählten, und im ganzen Kirchspiel ging das unbestimmte Gerücht, daß vier unverheiratete, unermeßlich reiche Damen Nummer 25 auf dem Gardonplatz gemietet hätten.
    Endlich zogen die vier Miss Willis ein, und das Besuchmachen nahm seinen Anfang. Das Haus war ein wahres Muster von Sauberkeit und Nettigkeit; die vier Miss Willis waren es gleichfalls. Alles war förmlich, steif und kalt; und förmlich, steif und kalt waren auch die vier Miss Willis. Zu jeder Zeit stand jeder Stuhl an seinem bestimmten Platz; und zu jeder Zeit saß jede Miss Willis auf dem ihrigen. Auch taten alle vier jederzeit pünktlich dasselbe, zu ein und derselben Stunde. Die älteste Miss Willis strickte fast immer, die zweite zeichnete, die beiden jüngsten spielten vierhändige Sonaten auf dem Piano. Sie schienen kein individuelles Dasein zu haben, sondern entschlossen zu sein, vereint das Leben zu überwintern. Sie waren drei hochgewachsene Grazien nebst einer vierten, die drei Schicksalsschwestern mit einer vierten Schwester, die siamesischen Zwillinge mit zwei multipliziert. Die älteste Miss Willis wurde gallenkrank – augenblicklich wurden es auch die andern drei. Die älteste Miss Willis wurde übellaunig und andächtig – sogleich waren auch die drei jüngeren Miss Willis andächtig und übellaunig. Was die älteste tat, taten ihr die jüngeren nach, und was irgend sonst jemand tat, wurde von allen getadelt. So vegetierten sie, in vollkommener Harmonie untereinander lebend und bisweilen, wenn sie in Gesellschaft gingen oder einige Gesellschaft bei sich sahen, die Nachbarn durchhechelnd.
    So waren drei Jahre vergangen, als man ein unerwartetes und außerordentliches Phänomen beobachtete. Die Miss Willis zeigten Sommersymptome; das Eis ging allmählich auf, vollkommenes Tauwetter trat ein. War es möglich? – Eine der vier Miss Willis war im Begriff, sich zu verheiraten.
    Woher in aller Welt der Zukünftige gekommen war, welche Gefühle und Beweggründe er gehabt haben konnte, oder durch welche Vernunftschlüsse oder Erwägungen die vier Miss Willis sich überzeugt hatten, daß es einem Manne möglich sei, eine von ihnen zu ehelichen, ohne sie alle vier zu heiraten? – Dies sind Fragen, die wir zu beantworten außerstande sind; gewiß aber ist es, daß die Besuche

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